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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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fasste
sich an die Stirn und machte einen Schritt zurück. »Ich bin
aber auch ein Dussel«, sagte sie. »Bevor ich losfahre, sollte ich
besser noch einmal nachsehen, was wir überhaupt brauchen.
Außerdem habe ich den Korb mit meinem Portemonnaie im Flur stehen lassen.« Sie umfasste den Fahrradlenker. »Man
wird eben doch vergesslich im Alter«, meinte sie kopfschüttelnd.
»Auf jeden Fall ist es sehr lieb von dir, dass du mir das
Rad aus dem Schuppen geholt hast, mein Engel. Ich nehme
an, du brauchst das andere selbst.«
    »Ähm … ja …«
    Ich ließ mich von ihr zur Seite schieben und sah ihr völlig
verdattert dabei zu, wie sie das Rad abstellte und anschließend,
ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zum Wohnhaus eilte.
    »Man kann einer Nixe nicht trauen.« Grinsend kam Gordian
zu mir herüber und küsste mich auf die Wange. »Ich
sollte mich besser vor dir in Acht nehmen.«
    »Hallo! Was kann denn ich dafür, wenn Tante Grace von
einer Sekunde auf die andere alles vergisst?«
    »Eine ganze Menge,
mein Engel
.« In Gordians Augen blitzte
es amüsiert. »Du musst natürlich noch ein wenig üben, um
dieses Talent in Zukunft etwas gezielter einzusetzen.« Er nickte
zum Wohnhaus hinüber. »Immerhin hat es seinen Zweck
erfüllt. Wir sollten uns allerdings beeilen, ich habe nämlich
keine Ahnung, wie lange es wirkt.«
    Ich starrte ihn an, als wäre er ein Wesen von einem anderen
Stern, doch Gordy kümmerte sich nicht weiter um mich. Er
griff sich das Rad, mit dem Tante Grace eigentlich zum Einkaufen
fahren wollte, und schwang sich auf den Sattel.
    Langsam und ein wenig schwankend fuhr er über den Kiesweg
auf die Straße zu.
    »He!«, rief ich. »Warte mal. Du kannst doch nicht einfach
ohne mich …!«
    »Dann komm!«, rief Gordy über die Schulter und geriet nun
bedrohlich ins Trudeln.
    Mit klopfendem Herzen lief ich zum Haus zurück und
spähte durch die offen stehende Tür. Von Tante Grace war
nichts zu sehen, aber ich hörte sie in der Küche rumoren.
    Noch immer wollte ich nicht recht glauben, dass ich für ihre
plötzliche Vergesslichkeit verantwortlich sein sollte, ein wenig
nagte sogar das schlechte Gewissen an mir, aber ich sah ein,
dass die Gelegenheit nicht günstiger sein konnte, und so ergriff
ich mein Fahrrad und raste Gordy hinterher. Er hatte
angehalten und wartete am Straßenrand auf mich. Seine karamellfarbene
Haut schimmerte silbrig im Licht der Sonne und
unter ihm auf dem Kies zeichnete sich nur der Schatten des
Fahrrads ab. Es war ein äußerst seltsamer Anblick, und mit
einem Mal war ich mir selbst nicht mehr sicher, ob wir wirklich
das Richtige taten.
    »Ich lasse dich nicht allein dorthin«, sagte er mit ernstem
Blick. »Nie wieder.«
    Ich wollte etwas einwenden, doch Gordy winkte sofort ab.
    »Wir können natürlich auch zuerst auf Sark nachsehen.«
    »Nein, ich glaube nicht, dass Cyril sich dort noch sicher
fühlt«, entgegnete ich. »Kyan, Zak und Liam haben sich vier
Wochen lang dort herumgetrieben. Sie dürften die Insel mitsamt
ihren Höhlen in- und auswendig kennen. Wahrscheinlich
haben sie längst herausgefunden, wo Cyril wohnt.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen festen Platz
hat«, meinte Gordian. »Die Haie mögen sich an die Menschen
und ihre Gewohnheiten angepasst haben, aber sie bleiben
Nixe. Soweit ich weiß, können sie nicht in normalen Häusern
leben. Zumindest nicht ständig.«
    »Vielleicht gibt es ja jemanden, der ihm zeitweise Unterschlupf
gewährt.«
    »Möglich.« Gordian zuckte mit den Schultern. »Also … was
tun wir?«
    Noch einmal warf ich einen Blick auf den Schatten des
Fahrrads unter ihm. »Kannst du mit diesem Ding überhaupt
fahren?«, fragte ich. »Oder muss ich damit rechnen, dass du
dich gleich auf die Nase legst?«
    Gordy reckte herausfordernd sein Kinn vor. »Und was ist
mit dir?«, gab er zurück. »Kann ich sicher sein, dass du dein
Talent einsetzt, wenn es nötig sein sollte?«
    Mein Talent? – Ich schluckte. Noch war mir nämlich keinesfalls
klar, wie es genau funktionierte. Doch Gordy ließ mir
keine Zeit, darüber nachzudenken.
    »Okay«, sagte er und fuhr los. »Ich verlass mich drauf.«
    »Woher weißt du überhaupt, in welche Richtung wir müssen?
«, rief ich.
    »Von dir! Deine Gedanken haben es mir verraten!«
    Ich beeilte mich, ihm hinterherzukommen, und versuchte,
auf gleicher Höhe mit ihm zu bleiben, weil es auf diese Weise
nicht gleich auffiel, dass nur mein Schatten auf dem Asphalt
zu sehen war.
    Zum Glück war nicht

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