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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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viel los. Wir wurden von zwei Autos
überholt und insgesamt vier kamen uns auf der gesamten Strecke
entgegen. Fußgänger oder andere Fahrradfahrer waren
überhaupt nicht unterwegs.
    Kurz bevor wir die Schmuckwerkstatt erreichten, tauchte einige
Meter vor uns in der Einmündung einer Querstraße ein
Mädchen auf einem Pferd auf. Mit großen Augen gaffte sie
Gordy an.
    »Keine Sorge. Das tut sie nur, weil ich so überirdisch gut
aussehe«, meinte er grinsend.
    »Eingebildeter Affe«, murmelte ich, während ich das Mädchen
fixierte. Inzwischen trennten uns nur noch wenige Pedaltritte,
und ich sah, dass sie Gordy keinesfalls ins Gesicht
schaute, sondern den Blick auf die Straße gerichtet hielt.
    »Okay, doch nicht meine Schönheit«, wisperte er. »Elodie,
tu was!«
    Panik stieg in mir hoch. »Was denn?«, zischte ich.
    »Das weißt du besser als ich.«
    »Verdammt, Gordy …!«
    Bitte vergiss, dass du uns gesehen hast!
    Nicht einmal einen Lidschlag später schnalzte das Mädchen
mit der Zunge, zog die Zügel zurück und ließ ihr Pferd umkehren.
    Gordian zwinkerte mir zu. »Geht doch.«
    Ich war so verblüfft, dass ich beinahe vom Fahrrad gefallen
wäre.
    »Und du hattest Angst, dass
ich
mich auf die Nase lege!«
    Gordy fuhr lachend weiter.
    Zwischen den Blättern einer gelb blühenden Hecke blitzte
schließlich Janes lilafarbenes Haus auf und kurz darauf bog er
in ihr Grundstück ein.
    Wir stellten unsere Fahrräder in den rostigen Ständer und
sahen uns an. Ich bildete mir ein, einen Hauch von Zweifel in
Gordians Miene zu erkennen.
    »Sie hat selber ein Geheimnis«, versuchte ich, ihn zu beruhigen.
»Sie wird dich nicht verraten.«
    Er nickte. »Okay.« Dann nahm er meine Hand und wir gingen
langsam den Plattenweg entlang bis zum Anbau.
    Die Vitrinen, die Jane erwartet hatte, standen bereits an
ihrem Platz, und sie selbst war gerade dabei, Armbänder in eine der mit dunkelgrauem Samt ausgelegten Schubladen zu
sortieren.
    »Hey«, sagte ich leise.
    Sie fuhr zusammen – offenbar hatte sie uns weder gehört
noch gesehen – und atmete auf, als sie mich erkannte.
    »Elodie! Ich dachte schon, du kommst heute nicht.« Ihr
Blick wanderte zu Gordy und blieb voller Erstaunen an ihm
hängen. »Und du hast noch jemanden mitgebracht …« Janes
Züge wandelten sich. Plötzlich stand nicht mehr Verwunderung
in ihrem Gesicht, sondern Rührung. Verstohlen wischte
sie sich eine Träne, die sich in ihrem Augenwinkel gebildet
hatte, fort. »Entschuldigung, es ist wirklich dumm, aber beim
Anblick eines Wals muss ich immer weinen.«
    Zutiefst irritiert über ihre seltsame Reaktion starrte ich sie
an. »Gordy ist kein Wal«, sagte ich schließlich.
    »Ich sehe, dass er ein Delfin ist«, erwiderte sie, als wäre es
das Selbstverständlichste von der Welt, Besuch von einem Nix
zu bekommen. Vollkommen verzückt stand sie da und auch
Gordy wirkte seltsam hingerissen. Wie in Trance hielten er
und Jane ihre Augen aufeinander gerichtet.
    Was ist denn jetzt los?, dachte ich erschrocken. Ein beißendes
Gefühl setzte sich in meinem Herzen fest, und es fiel mir
alles andere als leicht, mir nichts anmerken zu lassen und mich
auf den eigentlichen Grund unseres Besuchs zu besinnen.
    »Wo ist Cyril?«
    Jane machte einen langen tiefen Atemzug. Dann riss sie
sich von Gordys Anblick los und starrte mich an. »Was? …
Wer?«
    »Du weißt genau, wen ich meine«, sagte ich nur, und als sie
den Kopf schüttelte, drängte ich mich zwischen ihr und den Pappkisten hindurch und schlüpfte in den dunklen Nebenraum.
    »Nein, jetzt warte doch mal!«, hörte ich Jane hinter mir rufen,
aber da hatte ich die Tür, die mir gestern schon aufgefallen war,
bereits geöffnet. Wie ich vermutet hatte, verbarg sich dahinter
ihre Schmuckwerkstatt – ein kleiner, aber sehr heller Raum voller
seltsamer Geräte und Werkzeuge. Die Seite zum Garten hin
war vom Boden bis zur Decke verglast, ganz rechts in der Ecke
befand sich eine schmale Tür, die nur angelehnt war.
    »Elodie!« Jane brüllte jetzt geradezu. »Bitte warte doch! Ich
muss dir zuerst etwas erklären.«
    Musst du nicht, dachte ich. Das kann Cyril auch gleich selber
tun. Denn so viel war mir inzwischen klar: Ich hatte den
richtigen Riecher gehabt.
    Ohne mich um Jane zu kümmern oder darauf zu achten, ob
Gordy mir ebenfalls folgte, riss ich die Tür auf und stürmte in
den Garten hinaus. Mit ein paar Schritten war ich am Teich –
ich zog meine Haihaut aus der Gesäßtasche, ließ Sneakers,
Jeans und T-Shirt zu

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