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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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demonstriert hatte, besaß er darüber
hinaus sogar noch heilerische Kräfte.
    Meine Unruhe wuchs. Ich hatte das drängende Gefühl, sofort
etwas unternehmen zu müssen. Der Brief meiner Urgroßmutter
und Pattons Foto waren plötzlich nicht mehr wichtig.
Beides lag noch immer unangerührt im Umschlag auf dem
Rattantisch. Um meine Vergangenheit würde ich mich später
kümmern, was jetzt zählte, waren Gegenwart und Zukunft. Die
Feindschaft zwischen den Hai- und den Delfinnixen drohte
sich zu verschärfen und das galt es irgendwie zu verhindern.
    »Die Haie, die Cyril von dir fortgeholt haben«, begann ich,
»die haben dich doch sicher erkannt?«
    »Ja, sie haben gesehen, dass ich ein Plonx bin«, bestätigte
Gordy.
    »Und sie haben dir nichts getan?«, fragte ich.
    »Nein. Offensichtlich war ihnen klar, dass ich Cyril helfen
wollte.«
    »Das ist doch wunderbar.« Ich nickte zufrieden, und dann
stellte ich die Frage, die ich eigentlich schon in der Moulin
Huet Bay hatte stellen wollen. »Wer waren sie überhaupt?«
    »Der Mann aus der Stadt«, erwiderte Gordy. »Javen Spinx.
    Den anderen kenne ich nicht.«
    »Javen Spinx?«, stieß ich hervor. »Bist du sicher?«
    Gordian zuckte die Achseln. »Absolut.«
    Vor Aufregung bekam ich feuchte Hände. »Er hat auch mir
das Leben gerettet. Er muss gewusst haben, dass ich Hainixblut
in mir trage. Wahrscheinlich hat er es damals auf der Reise
von Lübeck nach Guernsey schon gespürt. Aber warum hat
er dann in St Peter Port so getan, als ob er mich nicht kennen
würde?«
    »Keine Ahnung, Elodie, wirklich nicht.«
    Ich löste mich aus seinem Arm und begann, zwischen Sitzecke und Bett auf und ab zu wandern. »Vielleicht, weil er dich sofort
als Delfinnix erkannt hat.«
    »Ja, das kann sein.« Gordy schürzte die Lippen. »Vielleicht
sollte ich versuchen, Kontakt zu Zak oder Liam aufzunehmen?
Möglicherweise gelingt es mir, sie davon zu überzeugen, dass es
niemandem etwas nützt, wenn sie die Haie provozieren.«
    »Nein«, sagte ich entschieden. »Sie würden das doch sofort
an Kyan weitergeben. Und der lässt garantiert nicht mit sich
reden. Aber wie wäre es mit Idis? Oder deinen Eltern?«
    »Cullum und Ozeane und meine Schwester möchte ich da
nicht mit hineinziehen«, entgegnete Gordian ebenso entschieden.
»Ich will sie nicht auch noch in Gefahr bringen.«
    Gordy hatte recht. Wir mussten bei Cyril ansetzen. Oder
bei Javen Spinx. Ihn zu suchen, hielt ich jedoch für ziemlich
aussichtslos. Er konnte überall sein. Für Cyril kam dagegen
eigentlich nur eine der Höhlen an der Küste von Sark infrage.
Aber vielleicht gab es ja noch eine andere Möglichkeit … Ich
senkte den Blick und massierte mit den Fingern meine Nasenwurzel
und plötzlich blitzte ein aquamarinblaues Augenpaar
vor mir auf. Einen Moment lang war ich verwirrt, doch dann
begriff ich. – Dass ich nicht gleich darauf gekommen war!
    »Komm!«, sagte ich, fischte meine Haihaut vom Boden auf
und verstaute sie in der Gesäßtasche meiner Jeans. »Ich glaube,
ich weiß jetzt, wo wir ihn finden könnten.«

    Inzwischen ging es auf Mittag zu. Die Sonne stand hoch am
Himmel und daher war es ein riskantes Unternehmen. Den
Weg durch das Meer zu nehmen und nach Sark hinüberzu schwimmen, wäre ganz bestimmt sicherer gewesen. Auch
meine Großtante zeigte sich alles andere als begeistert, als sie
Gordian und mich aus dem Haus treten und auf den Schuppen
zusteuern sah.
    »Was habt
ihr
denn vor?«, rief sie uns vom Gästecottage aus
zu.
    »Wir müssen noch mal weg«, antwortete ich nur, schlüpfte
durch die Tür und schnappte mir eines der Fahrräder für
Gordy. Bevor ich es jedoch nach draußen gezerrt hatte, stand
Tante Grace vor mir, die Hände auf die Hüften gestemmt und
mit einem entschlossenen Ausdruck im Gesicht.
    »Der junge Mann hier fährt nirgendwohin.« Sie deutete
nach oben. »Nicht bei diesem Sonnenschein.«
    Ich starrte sie an, wild entschlossen, es mit ihr aufzunehmen.
»Wir wissen, dass es gefährlich ist, aber es geht nicht
anders.«
    Meine Großtante sah mir fest in die Augen. »Elodie, man
sollte sein Schicksal nicht herausfordern.«
    »Das weiß ich«, knurrte ich.
    Zum Glück ahnte sie nicht, wie oft ich es bereits getan hatte,
seitdem ich hier bei ihr auf Guernsey war. Und bisher war ich
nicht schlecht damit gefahren.
    Standhaft erwiderte ich ihren Blick und zermarterte mir
das Gehirn, auf welche Weise ich sie am besten austricksen
könnte.
    Plötzlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie

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