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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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Riffs.
    Die Nixe!, schoss es mir durch den Kopf. Sie waren gar nicht
weiter in Richtung Sark geschwommen, wie ich im Stillen gehofft
hatte, sondern befanden sich noch immer in meiner unmittelbaren
Nähe.
    Augenblicklich hörte ich auf zu atmen und verharrte lauschend
auf der Stelle.
    Tatsächlich schälten sich aus den Zischtönen nun einzelne
Worte heraus, die sich allmählich zu klar verständlichen Sätzen
verdichteten.
    Du kannst ihm nicht trauen.
    Mehr als so manch anderem von euch.
    Und wenn es nicht funktioniert?
    Darüber können wir immer noch reden, wenn es tatsächlich so ist.
    Und was ist mit dem Plonx?
    Mich interessiert sein Mädchen.
    Ja, aber du wirst ihn doch wohl nicht am Leben lassen!
    Hmmm, zuerst sein Mädchen, dann sehen wir weiter.
    Ah, du willst, dass er leidet.
    Du hast es erfasst. Leiden ist qualvoller als Sterben. Für den Plonx
könnte der Tod sogar eine Erlösung sein …
    … die du ihm nicht gewähren willst.
    Ohne das Mädchen bleibt ihm nichts.
    Ich verstehe. Allerdings vergisst du seine Familie. Und Kirby. Trotzdem:
Ich muss sagen, dein Plan gefällt mir … irgendwie.
    Er wird dir noch mehr gefallen, wenn du darüber nachdenkst, dass
seinem Leben ohnehin besser andere ein Ende bereiten sollten.
    Ja, du hast recht
    Wie immer, mein Freund, wie immer!
    Die Sätze zerfielen wieder in undeutlich genuschelte Worte
und schließlich vernahm ich nur noch den ursprünglichen
Zischlaut. Einen Moment lang war ich verwirrt, dann kapierte
ich, dass es an mir lag. Ich hörte nicht mehr richtig zu, sondern
hatte bereits damit begonnen, das Gespräch in seine Bestandteile
zu zerlegen.
    Keine Frage, die vier Nixe waren Delfine! Sie würden versuchen,
an Land zu gehen, ob an der Küste von Guernsey oder
auf Sark, vermochte ich nicht zu sagen. Allerdings zweifelte ich
nicht daran, dass es sich bei einem der beiden, die ich eben
belauscht hatte, um Kyan handelte.
    Es war gerade mal eine Woche her, dass er versucht hatte,
mich umzubringen, und nach diesem Gespräch eben mit
einem seiner Freunde konnte ich mir absolut sicher sein, dass
er nicht aufgeben und es wieder und wieder versuchen würde.
Aus Neid und Rachedurst, vielleicht auch nur aus purer Lust
am Töten, vor allem aber, um Gordy zu quälen.
    Mein Herz schmerzte vor Entsetzen über eine solch abgrundtiefe
Boshaftigkeit, und widerstrebend wurde mir klar,
dass Gordian und ich hier nicht bleiben konnten. Wir mussten
fort, möglichst weit weg von den Kanalinseln, und uns irgendwo
in einem anderen Teil der Welt eine Insel suchen, wo
wir in Frieden leben konnten. Und wir mussten es schnell tun.
Ohne Abschied und ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.
    Bei der Vorstellung, Mam, Sina, Tante Grace, Ruby und
Ashton das anzutun und sie alle für lange Zeit, möglicherweise
sogar nie mehr wiederzusehen, legte sich ein unerträglicher
Druck auf meine Brust, und mit einem Mal spürte ich nur
noch Wut. Grenzenlose Wut, ja fast schon Hass auf Kyan, dem
das Schicksal anderer vollkommen gleichgültig zu sein schien.
Der offenbar auch seine Freunde nur benutzte und einzig und
allein seinem Egoismus und seiner verletzten Eitelkeit folgte.
    Es war eine unbändige, brodelnde Energie, die da aus meinem
Inneren aufstieg, und es war unmöglich, sich ihr zu widersetzen.
Die Entscheidung fand nicht in meinem Kopf statt,
sondern in meinem Körper. Innerhalb eines Sekundenbruchteils
richtete sich alles in mir auf ein Ziel aus, und nur einen
Augenblick später hatte meine Schwanzflosse mich auch schon
über das Riff getragen.
    Kyan und seine drei Freunde waren nicht mehr da, aber
sie hatten Spuren hinterlassen. Aufgebrochene Schalentiere
zeugten von einer Mahlzeit, an einigen Stellen war der Grund
unnatürlich aufgeworfen und vier Furten von der Breite einer
Delfinflosse zogen sich durch den Sand in Richtung Osten.
Außerdem konnte ich sie riechen. Ihr Duft war herb und
durchdrungen von einer Lüsternheit, die heftige Übelkeit in
mir auslöste. Von meinem Zorn angetrieben, stob ich in geradezu
irrwitziger Geschwindigkeit durch den Kanal.
    Die vier Furten hatten sich längst verloren, doch der Geruch
der Delfinnixe haftete wie ein Brandmal hinter meiner Stirn,
er führte mich durch dichte Algenkissen und über Untiefen
und lotste mich schließlich in eine immer bizarrer werdende
Unterwasserfelslandschaft. Ich wusste, dass ich mein Ziel erreichen
würde, als ich in die dunkle Öffnung eines Höhleneingangs
glitt.
    Der Duft intensivierte sich, und instinktiv drosselte

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