Meeresrauschen
stürzen,
überflüssig war.
Ich schlang mir die Haut um die Hüften, und als ich kurz
darauf ins Meer eintauchte, schlossen sich meine Beine in Sekundenbruchteilen.
Das Wasser strömte in meine Lunge und
füllte mich mit neuem Leben. Einige wenige Flossenschläge
reichten aus, um die Westküste Guernseys mehrere Hundert
Meter hinter mir zu lassen.
Einem inneren Instinkt folgend, hielt ich mich in einem lang
gestreckten Bogen in Richtung Süden, erkannte die Felslandschaft
der Moulin Huet Bay unter mir und erreichte schließlich
unbekanntes Gewässer.
Zwischen zwei dicht beieinanderstehenden, spitz aufragenden
Riffen suchte ich Schutz, drückte mich in eine mit weichen
Algen ausgebettete Felsspalte und versuchte, mich zu orientieren.
Ein Schwarm junger Sprotten schoss an mir vorbei,
und über die Finger meiner rechten Hand, mit der ich mich
am Felsen abstützte, krabbelte ein winziger Krebs.
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf Gordian.
Wenn er sich darauf ausgerichtet hatte, Kyans Signale zu empfangen, müsste er eigentlich auch meine Gedanken wahrnehmen.
Wo bist du?
Ich dachte es, so intensiv ich konnte, stellte mir vor, dass
es sich in jedem einzelnen Wassertropfen zwischen Guernsey
und Sark ausbreitete, und lauschte angespannt, aber da war
nichts. Nichts außer dem gewohnten Rauschen des Meeres,
dem Brummen von Schiffsmotoren und den feinen sirrenden
und gluckernden Geräuschen, die die Bewegungen der Pflanzen
und Tiere in den Felsspalten verursachten.
Enttäuschung breitete sich in mir aus und setzte sich als steinharter
Brocken in meiner Brust fest. Ich hätte geschworen, dass
er in meiner Nähe war – so wie sonst auch immer. Er musste
doch wissen, dass es mir nicht im Traum eingefallen wäre zurückzubleiben.
Warum hatte er nicht auf mich gewartet?
Gordy, du kannst mich nicht daran hindern, dir zu folgen
, schickte
ich trotzig in den Kanal hinaus.
Doch wieder bekam ich keine Antwort.
Verdammt noch mal … Wir müssen reden!
Nichts.
Also gut, dann schwimme ich in den Atlantik hinaus und suche
Jane und Javen Spinx.
Stille.
Und dann plötzlich sah ich sie, vier große Schatten. Nur
eine Nuance dunkler als das Meerwasser glitten sie lautlos in
östlicher Richtung zwischen den Riffen hindurch und hielten
dabei langsam auf den Grund zu.
Instinktiv zog ich den Kopf ein und duckte mich tief in die
Spalte. Mein Herz klopfte wie wild und meine Gedanken rasten
durcheinander.
Zu dumm, dass ich nicht genau hingeschaut hatte, sonst
hätte ich jetzt vielleicht gewusst, ob es sich um Nixe oder um
Tiere handelte. Gewöhnliche Haie konnten es allerdings nicht
sein, weil sie normalerweise nicht in Formationen schwammen.
Und wie Hai
nixe
sich diesbezüglich verhielten, wusste
ich leider nicht.
Ich stieß einen leisen Fluch aus, so sehr ärgerte ich mich
über mich selbst. Warum nur hatte ich nicht auf Gordian gehört!
Mein Unwissen, was die Gegebenheiten des Meeres anging,
meine Unerfahrenheit als Nixe und mein fast schon kindischer
Wunsch, jede Sekunde in seiner Nähe sein zu wollen,
konnten blitzschnell zu einer tödlichen Gefahr für uns beide
werden. Gordy hatte das erkannt, nur ich hatte es nicht sehen
wollen und war sogar so töricht gewesen, meine Gedanken in
jeden Winkel des Ärmelkanals hinauszusenden.
Wütend biss ich mir in die Unterlippe. Jetzt konnte ich nur
noch beten, dass niemand außer Gordian in der Lage war,
meine Botschaften aufzufangen – und dass er sie gehört hatte
und entsprechend besonnen handelte.
Ich beschloss, mich noch eine Weile in der Spalte verborgen
zu halten, bis ich mir einigermaßen sicher sein konnte, dass
die vier Wesen das Areal verlassen hatten. Dann würde ich
zurückschwimmen und in meinem Zimmer auf Gordy warten.
Es blieb mir gar nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen,
dass er seine Sache gut machte und sich nicht unnötig in Gefahr
begab. Und über das, was vorhin zwischen uns im Bett
passiert war, konnten wir später immer noch reden.
Angesichts dessen, was für die Menschen, die Hai- und die
Delfinnixe auf dem Spiel stand, waren meine Ängste und Gefühle
zweitrangig. Ich musste sie zurückstellen und irgendwieallein mit der Situation zurechtkommen – und zum Teufel
noch mal, das würde ich auch!
Ich war gerade im Begriff, meine Arme anzulegen und den
ersten Flossenschlag zu tun, da drang ein seltsames Geräusch
an meine Ohren. Es schienen menschliche Laute zu sein, eine
Art Zischeln oder Nuscheln, und es kam von der anderen Seite
des
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