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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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erwartete er die Hilfe von oben, ob es Außerirdische oder Avatare waren, das wusste nur er selber.
    Der alte Morgan kniete neben ihm und hielt ihm den Kopf. Sein ratloser Blick traf den des Kommissars. In der Ecke erklang ein rasselndes Geräusch.
    Knightley wandte den Kopf und sah einen Bambusvorhang, genau wie diejenigen, die er im Lager entdeckt hatte. Er bewegte sich heftig, weil jemand gerade eben hindurchgestürzt war, jemand, der nun versuchte, das Küchenfenster zu öffnen und auf diesem Weg zu entkommen. Ehe Knightley sich an die Verfolgung machen konnte, war Quentins Vater aufgesprungen, offenbar in derselben Absicht. Sie stießen kurz vor dem Vorhang zusammen. Knightley verlor das Gleichgewicht und hielt sich an einer der Schnüre fest, die nachgab und riss. Es war nicht die erste, die fehlte, stellte er noch im Fallen fest, als er die Umgebung wie in Zeitlupe musterte. Ihm war, als fiele er aus der Welt. Er krachte aber nur in eine Dusche, in der eine Plastikwanne mit eingeweichter Wäsche stand. Schmerzhaft spürte er ihre harten Kanten an seinen Rippen. Es stank nach Seifenlauge. Knightley spuckte und schüttelte den Kopf, um die nassen Haare aus dem Gesicht zu bekommen.
    Endlich konnte er wieder sehen. Morgan stand am Fenster und hielt die Beine von jemandem umklammert, der mit dem Oberkörper hinaus ins Freie hing und noch nicht realisiert hatte, dass der unbarmherzige Griff des alten Patrick das Einzige war, was ihn noch vor einem gefährlichen Sturz bewahrte. Er zappelte und trat und versuchte seinen Peiniger in den Brustkorb und gegen die Rippen zu treten.
    «Halten!», versuchte Knightley zu rufen und spuckte aus. Verdammte Seife. Als ob es da draußen nicht schon Wasser genug gäbe. «Halten Sie ihn fest!»
    Aber auch Patrick Morgan schien in eben diesem Moment etwas zu realisieren. Er schaute den Inspektor an, dann den Rücken seines zappelnden Opfers. Dann lächelte er mit einem Mal. Trat zurück und ließ los.
    «Nein!», schrie Knightley und warf sich nach vorne.
     
    Adrian war am Ende seiner Kraft angelangt. Er kauerte mit Maud, die wieder weit genug bei Bewusstsein war, um zu jammern, dass ihr schlecht sei, in einer Mulde auf halber Höhe der Steilwand und zitterte im prasselnden Regen, der ihnen in dicken Tropfen über die Gesichter lief. Einmal, zweimal versuchte er, Maud die Haare aus der Stirn zu streichen, dann gab er es auf.
    «Mir ist …», begann sie, beugte sich vor und übergab sich.
    Adrian bat sie stumm um Verzeihung. Dann war auch das vorbei. Und sie hockten da und sahen zu, wie der Regen den Auswurf wegspülte. Bald würden auch sie so weggespült werden. Oder nein, die Welle würde sie vermutlich erfassen und gegen den Berg schleudern, sie zerfetzen und zerschmettern. Adrian bezweifelte, dass genug von ihnen übrig bleiben würde, um sie zu identifizieren. Oder zumindest würden sie aussehen «wie nach einem schweren Kampf». Er sagte diese Worte leise zu sich selbst. Der Gedanke gab ihm noch einmal Kraft.
    «Auf», sagte er und zog Maud hoch. Die Woge konnte jede Sekunde heranbrausen. Aber jede Sekunde würde sie auch weiter nach oben bringen. «Wir haben noch eine Chance.» Log er oder hoffte er es wirklich? Er wusste es selbst nicht.
    Entgegen ihrer sonstigen Art beschwerte Maud sich weder, noch machte sie Theater. Blass um die Nase unter dem Schleier aus Wasser, presste sie die Lippen zusammen und tat ihr Bestes.
    «Weißt du, Maud», brachte Adrian heraus, während er sie weiter und weiter zog. «Wir werden das hier überleben. Hörst du mich? Wir schaffen das!»
    Sie nickte. Zu einem ‹Ja› reichte ihre Kraft nicht.
    «Und dann kann kommen, was will. Verstehst du? Es ist völlig egal. Weil wir nämlich am Leben sein werden. Du. Ich. Wir alle beide.»
    Sie öffnete den Mund.
    Adrian sah sie an. Unmöglich zu sagen, was sie dachte.
    «Ich mach dich fertig», flüsterte sie.
    Adrian lachte grimmig. «Das ist mein Mädchen.» Er rutschte aus, und für einen Moment hingen sie beide über dem Abgrund. Er war selbst erstaunt, wie schnell es geschah. Automatisch hatte er einen Arm von Maud gelöst und nach dem Stamm einer kleinen, kaum hüfthohen Birke gefasst, die an dieser Stelle ihre Wurzeln in das wenig bisschen Erde geschlagen hatte. Der Baum hielt, hielt sie beide. Aber Maud zog ihn weiter in den Abgrund, ihr Gewicht hing schwer an seinem rechten Arm.
    «Halt dich fest», presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. «Nimm mich um die Hüfte. Und such mit

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