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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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kann, dann werden die Behörden neugierig.»
    «Ja, aber könnten wir ihnen nicht sagen …», begann die Nixe.
    Morningstar unterbrach sie kategorisch. «Nein.»
    «Oh», sagte Ondra.
    «Tja.» Er schob die Hände tief in die Hosentaschen und kaute auf den Innenseiten seiner Wangen. «Wir werden uns was einfallen lassen müssen.»

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38. Kapitel
    «Heh, Ames! Jüngst erblindet?» Quentin Morgan verzog das Gesicht, als müsste er gute Miene machen zu einem Witz, den andere über seine Figur rissen. Er lehnte neben der Ladentür an der Hauswand, genoss die Sonne, die dort einen schmalen Streifen beschien, und hielt eine Flasche Bier in der Hand.
    Völlig gedankenversunken blieb Adrian stehen. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was und wer ihn aufgehalten hatte.
    «Du siehst ja kotzbleich aus. Is was?», erkundigte Morgan sich.
    «Nein, nein», erwiderte Adrian. Er wollte eine wegwerfende Handbewegung machen, brach aber mittendrin ab, als er bemerkte, wie sehr seine Hände zitterten. Normal, ermahnte er sich, alles ist völlig normal. Du bist auf dem Weg. Du weißt, was du tust. Gleich da vorne wohnt Maud. Nur nicht im letzten Moment versagen. Nicht auffallen, nichts Blödes tun. Jetzt bau keinen Mist.
    In seinen Ohren sauste es, er bebte innerlich und hatte das Gefühl, dass es ihn gleich in Einzelteile zerlegen würde, wie einen Kleinwagen, der mit völlig überhöhten 200 Stundenkilometern über die Autobahn heizte und im nächsten Moment die Bleche verlor. Nur jetzt keinen Fehler machen, alles zusammenhalten und hoffen, dass die Explosion nicht kam.
    «Alles voll normal», brachte er heraus, er wusste nicht, wie. Und allzu intelligent klang es auch nicht in seinen Ohren. Es hörte sich nicht an, als wäre das ein Satz von ihm, nicht einmal in einem seiner schlechtesten Momente.
    Zum Glück war Quentin Morgan gar nicht an seiner Antwort interessiert. Stattdessen winkte er ihn näher und hielt ihm die Tür zu seiner Behausung auf, die hinter einem Stützpfeiler verborgen war. Die Tür verbarg eine steile Treppe, die zu der kleinen Einliegerwohnung über dem Laden führte. Es war eine ziemlich kleine, unscheinbare Holztür, von der man dachte, sie führe eher in den Keller oder einen Lagerraum oder wäre ein Überbleibsel von einer früheren, ganz anderen Nutzung des Hauses, so asymmetrisch saß sie in der Mauer.
    Früher hatte sie Adrian an die Totentüren in einer Gegend Italiens erinnert, die er einmal mit einem Kurs der Universität besucht hatte. Dort wurde gleich beim Bau eines Hauses neben der Haustür eine Zweittür angelegt und vorerst vermauert. Starb jemand im Haus, legte man den Eingang frei und trug den Sarg durch die «Totentür», die anschließend erneut vermauert wurde. Bis zum nächsten Mal. Das Ganze ging wohl auf einen Aberglauben zurück, nach dem die Toten, um die Lebenden heimzusuchen, nur auf derselben Route zurückkehren konnten, die sie auf dem Weg zum Grab eingeschlagen hatten. So war ihnen der Rückweg verbaut.
    Damals hatte Adrian das faszinierend gefunden und eine Weile über Bauen und spirituelle Bedürfnisse philosophiert. Jetzt erinnerte er sich nicht so gerne daran. Er müsste sonst darüber nachdenken, was er vorhatte. Er müsste sich vor Albträumen fürchten, in denen Maud vor Türen stand, um zu wählen, eine blasse, tote, halb verkohlte Maud, die drauf und dran war, eine Klinke zu drücken, und dann …
    Unwillkürlich musste er zu ihrem Haus hinüberschauen. Ihre Tür mit dem Messingklopfer und den lackierten Holzkassetten war verschlossen. Sie wirkte seltsam auf Adrian, beinahe, als bewege sie sich, verändere ihre Größe, pulsiere. Sie lag gleich auf der anderen Straßenseite und doch weit weg, wie am Ende eines langen, schmalen Tunnels, in dem es düster war, obwohl die Sonne schien, und der Adrian angähnte, ansaugte mit aller Macht, den zu betreten er aber noch nicht wagte.
    «Okay. Aber nicht lange», sagte Adrian hastig und folgte Quentins einladender Geste. «Ich hab nicht viel Zeit.»
    «Auf den Autobahnen lernt man das Warten.» Quentin rülpste und hielt ihm die Bierflasche hin.
    Adrian zögerte nur kurz und nahm dann einen tiefen Schluck. Es war ekelhaft.
    «Oben gibt’s kaltes», sagte Quentin, der ihn aufmerksam beobachtet hatte. Es schien, als hätte er eine besonders feine Antenne für Ablehnung und Niederlagen. Dennoch nahm er sie äußerlich ungerührt hin. Er ließ Adrian vorangehen. Seine massige Gestalt verstopfte den

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