Meerestochter
nicht zu den Spinnern. Er war nur … Adrians Denken setzte für einen Moment aus. Was war er? Verzweifelt? Im Recht? Schlauer als die Übrigen? Was tat er da eigentlich?
«Willst du noch lange in die Luft starren?»
Adrian blinzelte. Vor ihm stand Maud und sah ihn schmollend an. Wo war sie hergekommen? Er fragte sie.
«Bist du irre?», erkundigte sie sich unfreundlich. «Du stehst vor meiner Haustür. Und im Übrigen waren wir für vor einer Viertelstunde verabredet, Herr Ames.»
Adrian staunte noch immer. Er konnte sich einfach nicht daran erinnern, zu ihrem Haus gegangen zu sein und geklingelt zu haben. Und doch hatte er es getan. «Entschuldige», stammelte er.
Maud musterte ihn von Kopf bis Fuß. «Wo ist der Picknickkorb?», fragte sie. «Hast du nicht gesagt, wir wollen ein Picknick machen?»
Das Picknick, richtig! Langsam fand Adrian wieder in die Spur. Er lächelte Maud an. «Ist alles besorgt und erledigt», versicherte er. «Ich hab die Sachen schon am Bootshaus deponiert. Und es gibt Champagner.» Er versuchte, seiner Stimme Schwung zu verleihen. Er bot ihr den Arm.
Sie schob die Unterlippe noch weiter vor. «Na, ich hoffe, es ist wenigstens französischer.» Sie zögerte, sich einzuhängen. Schließlich gab sie nach. Als sie an Patricks Laden vorbeigingen, grüßte sie mit einem Kopfnicken Quentin, der wieder in der Tür stand und sie kommentarlos vorbeiließ.
Adrian atmete tief durch.
«Was ist?», fragte Maud.
«Ach nichts. Ich war gerade in seiner Bude. Der Typ ist echt irre.»
«Das weiß jeder.» Maud zuckte mit den Schultern.
«Sind die Bücher wirklich seine, ich meine, liest der das alles?»
«Keine Ahnung.» Das Thema schien sie nicht besonders zu interessieren. «Ich war noch nie da oben.»
«Klar warst du nicht.» Adrian wunderte sich. Bei der Vorstellung von Maud in dieser Siffbude musste er lachen. «Wieso sagst du das so spitz?»
Maud sah ihn an, als wäre er frisch vom Himmel gefallen. «Du weißt echt gar nichts, oder?» Sie schüttelte den Kopf. «Quentin ist nur alle paar Wochen da. In der übrigen Zeit vermietet er seine Bude, als Treffpunkt für Liebespärchen. Oder wie man das nennen soll. Damit verdient er sich ein Zubrot.»
«Diese Dreckbude?» Adrian wollte es nicht glauben. Er dachte an die Stapel vergammelnder Fastfood-Kartons und das Klo in der Küche, nur durch einen Vorhang abgetrennt.
«Oh», sagte Maud, «derjenige, der sie braucht, macht vorher sauber, weißt du? Wen’s angeht, der weiß, wo der Schlüssel hängt.»
«Und?», fragte Adrian provozierend, den ihr belehrender Ton nervte. «Wo hängt der Schlüssel?»
Sie schaute ihn von der Seite an, mit gerunzelter Stirn. Dann kam sie zu dem Schluss, dass er einen Scherz gemacht hatte, und beließ es bei einem schmerzhaften Knuff.
«Wo der Schlüssel hängt? Keine Ahnung, wo der Schlüssel hängt. Da musst du deine Freunde fragen, nicht mich.» Es sollte leichtherzig klingen, aber es misslang.
«Wen soll ich fragen: Ned? Pete? Oder Tom? Oder alle zusammen?»
«Keine Ahnung.» Maud wandte den Kopf ab.
Adrian wusste im selben Moment, dass sie log. Aber es war ihm egal. Seinetwegen mochte sie dort Stammgast gewesen sein. Mit Tom, mit Ned, mit Pete oder ihrem geheimen Sommergast, von dem sie nicht sprechen wollte. Vor Tagen noch hätte es ihm das Herz gebrochen, jetzt konnte er es sich sogar vorstellen, Maud auf diesem Sofa, mit gespreizten Beinen, ein Mann keuchend über ihr … Adrian blinzelte. Es spielte keine Rolle mehr. Im Grunde machte es die Sache nur leichter.
In sein Schweigen hinein fragte Maud. «Also zum Bootshaus, ja?» Die Absätze ihrer Sandalen klackerten über den Asphalt des Kais. Sie räkelte sich ein wenig und zog den Spaghettiträger ihres terrakottafarbenen Tops zurecht. «Mir wäre ja ein Ausflugslokal lieber gewesen. Was wir
da
sollen, weiß ich immer noch nicht so recht.»
Adrian spürte genau, dass sie schon wieder log. In Wirklichkeit war sie mehr als scharf darauf, den Ort ihres künftigen Reichtums zu besichtigen. «Wir werden über Obstwiesen wandeln und wissen, dass es Goldbarren sind», sagte er. Auf ihrem Gesicht erblühte ein Lächeln, und er hasste sie dafür.
«Na gut.» Sie schob ihren Arm unter seinen. «Aber denk dran. Ein falsches Wort, und ich serviere dich der Polizei auf einem Silbertablett.»
«Danke, dass du das aussprichst, Maud.» Adrian zog sie näher an sich. «Aber wie wäre es damit: Kein falsches Wort an irgendwen von dir, und ich serviere dir
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