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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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Treppenaufgang und schluckte alles Licht.
    «Ich … ich wusste gar nicht, dass du hier noch wohnst.» Adrian betrat die kleine Wohnung zögerlich. Er wusste, dass er als Jugendlicher ein paarmal hier gewesen war. Quentin war einer der Ältesten in der Clique gewesen. Stolz darauf, als Erster eine eigene Bleibe zu haben, wo er die Tür hinter sich abschließen konnte, hatte er die anderen Jungs oft zu Bier und Zoten hierher eingeladen. Manchmal sogar Adrian. Der schaute sich um, aber nichts kam ihm weiter bekannt vor. Vor allem war alles sehr klein. War das damals schon so gewesen?, fragte er sich erstaunt.
    Die Decke war niedrig, für einen Mann von Quentins Ausmaßen geradezu lächerlich, die Fenster der puppigen viktorianischen Fassade zwergenhaft; sie ließen wenig Licht herein. Alle vier gingen sie auf die Promenade hinaus. Der Raum war vollgestopft mit einem alten löchrigen Sofa, einem Sessel, einem Tisch aus den Fünfzigern, der fast zusammenzubrechen schien unter der Last von leergegessenen Fish-and-Chips-Verpackungen und Bierflaschen. Außerdem war da ein Regal, in dem die Bücher dicht gedrängt standen und zusätzlich gestapelt lagen. Alles sah schmierig und unordentlich aus. Auf dem Fußboden stand ein kleiner Fernseher, davor in einem Kabelgewirr der DVD -Player und ein Stapel Filmhüllen in verdächtig neutraler Aufmachung.
    Quentin verschwand hinter einem Bambusvorhang. Er trennte die Küchennische ab, die zugleich die Kloschüssel enthielt. Adrian wusste von früher, dass es dort auch eine kleine Duschwanne gab, mit einem Vorhang vom Herd abgetrennt, dass Quentin dort aber nur Fertiggerichte und Bierflaschen lagerte und sich ausschließlich am Spülbecken wusch, in dem sich schmutziges Geschirr stapelte.
    «Hier», sagte Quentin und hielt ihm eine leicht beschlagene Flasche hin. «Der Kühlschrank ist neu. Hab ich in Tschechien von einem Kollegen gekauft, direkt vom Laster weg. Tolles Teil. Genauso gut wie die amerikanischen, mindestens.»
    Adrian nahm die Flasche, trank einen Schluck, überlegte, dass er sich einen Kaugummi besorgen musste, damit Maud das Bier nicht roch, beschloss dann, dass sie es für umso glaubwürdiger halten würde, wenn er sich für das Treffen Mut angetrunken hätte – schließlich hielt sie ihn ja für ein absolutes Weichei. Und nahm einen zweiten Schluck. Er legte den Kopf schräg und las sich durch die Buchrücken.
    «Das meiste sind Erstausgaben», meinte Quentin. «Man ist den Autoren dann einfach näher, finde ich.» Er rülpste.
    Adrian nahm einen der Bände heraus, blätterte, sah eine Bleistiftnotiz auf dem Vorsatzblatt mit Preisvermerk und pfiff durch die Zähne. Was Quentin am Wohnen einsparte, floss offenbar in seine Bücher.
    «Ich bin jetzt gerade an den Russen dran, hier,
Verbrechen und Strafe,
solltest du mal lesen.» Er hielt ihm einen dicken Band mit Goldschnitt hin. «Der Typ wusste mehr, sag ich dir. Er war nur noch nicht so weit, das selbst zu begreifen.»
    Adrian wog das Buch unschlüssig in der Hand. «Ich hab gar nicht gewusst, dass du wieder mal in der Heimat bist. Man sieht dich so selten.» Er nutzte die Gelegenheit, um unauffällig das Buch wieder hinzulegen, und schaute sich in dem Raum um. «Bist du die meiste Zeit hier drin?»
    «Ich geh nicht gern raus.» Quentin setzte die Flasche an und leerte sie zur Hälfte. «Zu gefährlich. Wegen dem Mindcontrolling.»
    «Mindcontrolling?» Adrian entfuhr vor Überraschung ein Rülpser. Er runzelte die Stirn. Mindcontrolling, wo hatte er das nur schon gehört?
    «An den Autobahnen machen sie das auch. Haben es getarnt, als Mautsystem. Aber nicht mit mir.» Quentin zog mit dem kleinen Finger sein Unterlid ein wenig herab. «Meine Maschine ist innen voll ausgekleidet, um die Strahlen abzuhalten. Hab ich selbst gemacht, über sechs Stunden Arbeit. Aber es hält. Und Rosenquarz auf dem Armaturenbrett. Ich schlüpf denen durch die Finger.» Er wurde sehr ernst und schaute Adrian an. «Solltest du auch machen. Das mit dem Rosenquarz.»
    «Aha», sagte Adrian, in dessen Kopf sämtliche Alarmglocken läuteten. Er sah Leute vor sich, die in Alufolie eingewickelte seltsame Helme trugen und mit Stimmen aus ihrem Radio kommunizierten. «Und hier?», fragte er und wies mit dem Kinn vage in den Raum, der keine besonderen ‹Schutzvorrichtungen› aufzuweisen schien. Noch nicht einmal die üblichen Abschirmungsmaßnahmen gegen ganz normale nachbarliche Neugier wie Vorhänge oder Fensterläden waren zu

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