Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
Vom Netzwerk:
sehen.
    Quentin blieb gelassen. «Die Kristalle im Mauerstein hier sind optimal. Die lassen die Strahlen nicht durch. Ist eine geologische Eigenart, wissenschaftlich erwiesen. Und die Wände sind dick.» Er klopfte mit der Faust dagegen, um es zu demonstrieren. «Solange du drinbleibst, kann dir gar nix passieren.»
    «Und wir anderen, die wir so draußen rumlaufen?» Adrian führte die Flasche besonders cool zum Mund, stieß sich den Zahn und fluchte.
    Quentin kniff ein wenig die Augen zusammen. «Was glaubst du, wieso immer alle in die gleiche Richtung rennen? Mäntel bei Burberry’s kaufen, Autos bei BMW . Und dann ist auf einmal Shredded Wheat zum Frühstück in Mode, und alle fressen es.» Er schluckte. «Und alle gucken dasselbe im Fernsehen, purer Schrott, aber sie schalten wie ferngesteuert ein. Und sie joggen, wenn es angesagt ist, und sie wählen und glauben an den Kapitalismus und machen mit bei dem großen Spiel.»
    «Sie wählen aber doch verschiedene Parteien», warf Adrian ein.
    Quentin betrachtete ihn mitleidig. «Und du hältst die echt für unterschiedlich?», fragte er.
    «Die Theorie hat was für sich», gab Adrian zu. Die Unterschiede zwischen rechts und links verschwammen in der Tat zusehends. Und korrupt schienen ihm ohnehin alle zu sein.
    «Ames, ich sag dir, die werden alle von derselben Macht gelenkt.»
    «Und die wäre?», fragte Adrian. Er dachte an die Geheimdienste, die Banken oder vielleicht auch die Illuminaten.
    «Na, die da oben.» Quentin grinste schlau und wies mit dem Daumen zum Himmel.
    «Äh», sagte Adrian und fürchtete, als Nächstes ein Werbeheft der Zeugen Jehovas in die Hand gedrückt zu bekommen, komplett mit Lamm und Löwen im Paradiesgarten und händchenhaltenden Menschen in Freizeitkleidung. Oder von den wiedergeborenen Christen. Oder den Mormonen. «Gott?», fragte er vorsichtig. «Engel?»
    «Die Außerirdischen, Ames.»
    «Ach so, die, na klar.» Adrian wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. «Bist du Scientologe, Morgan?»
    «Scientology? Pures Gift. Seelenfänger, die versuchen, mit ihren Praktiken die arische Rasse zu versklaven.»
    Adrian stellte seine Flasche ab. Er hatte das dringende Bedürfnis zu gehen.
    Quentin lachte böse. «Da zuckt er zusammen. Aber die Arier sind uns aus dem All gesandt, Ames, da beißt die Maus keinen Faden ab. Sie sind unsere Ahnen und unsere Zukunft. Die große Abrechnung wird kommen. Dann senden sie den letzten Avatar, der uns anführen wird.»
    Adrian stellte seine Flasche hin und schaute sich nach der Tür um. «Und bis dahin machen sie Mindcontrolling? Ich bitte dich, Morgan …»
    «Das sind doch die anderen, Ames, die Bösen.»
    Adrian schob die Unterlippe vor. «Es gibt also gute und böse Außerirdische? Respekt, Morgan, das ist echt differenziert.»
    «Mach dich nur lustig, Ames. Du hast noch nicht viel über das Leben nachgedacht, oder? Es besteht immer aus Gut und Böse, das ist es, was alles durchzieht und einteilt.»
    «Also, ich …»
    «Das Gute muss sich wehren, Ames. Wir dürfen uns nicht von oberflächlichen Moralvorstellungen verwirren lassen.»
    Das klang verdammt vertraut. So oder ähnlich hatte er selbst argumentiert im Lauf der letzten Nacht, in der er wenig geschlafen hatte. Er war in seinem Zimmer auf und ab gelaufen und hatte über das Recht auf Notwehr philosophiert. Adrian wurde blass und begann zu schwitzen.
    Quentin schien es nicht zu bemerken. «Die Moral der Masse ist nicht die Moral des Eigentlichen. Wenn der letzte Avatar kommt, werden sie schreien und ihn als Massenmörder brandmarken. Dabei wird er der Retter sein, der die Ordnung herstellt. Die tiefe, eine Ordnung.»
    «Morgan, ich muss jetzt wirklich los.» Adrian hatte seine Sprache gerade für diesen einen Satz wiedergefunden. Ohne Rücksicht auf Höflichkeit strebte er der Tür zu. Schon auf der Treppe rannte er. Als er draußen stand, warf er unwillkürlich einen Blick in den blauen Himmel. Ein silbern glitzernder Düsenjäger zog dort seine Bahn. Die Spur zerfaserte über dem Horizont. Mindcontrolling? Adrian versuchte zu lachen und atmete ein paarmal tief ein. Nichts als schönes Wetter und saubere Luft. Das war doch alles Wahnsinn. Er versuchte zu lachen und zu vergessen, wie sehr ihn Quentins Worte aufgewühlt hatten. Das Gute musste sich wehren, ja, es hatte das Recht dazu. War das nicht genau seine eigene Position? Und war er dann auch so ein Irrer?
    Nein, er glaubte nicht an Arier und Avatare und solchen Mist. Er gehörte

Weitere Kostenlose Bücher