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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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Schiffsmotoren zu uns herüber, aber dieses Geräusch empfand ich mittlerweile fast schon als vertraut.
    Wie weit ist es denn noch?
    Wir haben es bald geschafft, sagte Cyril. Er sah mich von der Seite an und schenkte mir ein Lächeln.
    Ich nickte und zwang mich, möglichst an nichts zu denken, son dern mich ausschließlich auf meine Flossen zu konzentrieren.
    Der sandige Grund war nun von schmalen Felsgraten durch zogen, die sich allmählich verdichteten und zu mächtigen Riffen heranwuchsen. Mit jedem Meter hatte ich mehr und mehr das Gefühl, die Westküste Guernseys bereits greifen zu können.
    Hoffnungsvoll richtete ich meinen Blick nach vorn und atmete erleichtert auf, als ich endlich den dunklen Streifen in der Ferne erspähte.
    Zügig näherten wir uns der Insel, ich wunderte mich allerdings, dass ich nichts entdeckte, das mir in irgendeiner Weise bekannt vorkam.
    Wir kommen von Norden und stoßen genau auf den nordwestlichen Teil Guernseys, erklärte Cyril mir. Es ist gut möglich, dass du noch nie in dieser Gegend gewesen bist.
    Stimmt, gab ich ihm recht. Ich glaube, ich kenne mich besser im südlichen Teil der Insel aus.
    Das wird sich nun sehr bald ändern, erwiderte er und deutete nach vorn. Gleich hinter den massiven Klippen, die dort von Osten her ins Meer ragen, liegt die Saline Bay. Das ist der Strandabschnitt, der im Süden unmittelbar an die Cobo Bay grenzt.
    Tja, und genau dort war Guernsey für mich bisher zu Ende gewesen.
    Cobo, Vazon, Perelle zählte ich im Stillen auf und eine freu dige Erregung erfasste mich. In wenigen Minuten würde ich bei Tante Grace auf der Veranda stehen. Ich konnte es kaum noch erwarten, sie in die Arme zu schließen, an mich zu drücken – und endlich, endlich Mam anzurufen!
    Cyril schien meine Vorfreude zu bemerken, denn wieder lächelte er mich von der Seite an. Es war dieses wundervolle, ehrliche, aber auch ein wenig geheimnisvolle Lächeln, das mir schon im Frühjahr, als ich ihn kennengelernt hatte, an ihm aufgefallen war. Es berührte etwas in mir, das im selben Rhythmus schwang, und als ich es erwiderte, spürte ich, dass es nicht nur zwischen Gordian und mir etwas gab, das uns auf eine sehr besondere Weise verband, sondern auch zwischen Cyril und mir.
    Doch dann, mit einem Schlag, veränderte sich seine Miene völlig. Der Glanz in seinen schwarzen Augen verschwand, das Lä cheln erstarb und ein Schatten flog über sein Gesicht.
    Cyril riss den Kopf herum in Richtung Küste. Verdammt!, zisch te er und dann schoss er einfach los. Ohne ein weiteres Wort, ohne jede Erklärung.
    Gedankenstumm und so schnell und schnurgerade wie ein präzise abgeschossener Pfeil sauste er durchs Wasser, und diesmal hatte ich Mühe, sein Tempo zu halten.
    Während er schwamm, verdunkelte sich seine Außenhaut, bis nur noch die Kontur seines menschlichen Oberkörpers darunter zu erahnen, er selbst aber nicht mehr zu erkennen war.
    Sein eisiges undurchdringliches Schweigen ließ auch mich ver stummen. Die Kälte, die von Cyril ausging, hüllte mich ein, si ckerte durch meine Haut und fraß sich in mein Herz, wo sie sich augenblicklich in nackte Angst verwandelte. Etwas Schreckliches, Ungeheuerliches ging hier vor.
    Bis in die kleinste Muskelfaser auf Kampf eingestellt und mei nen Blick hellwach nach vorn gerichtet, betete ich, dass wir nicht zu spät kamen. Ich war sicher, auf Kyan zu treffen, der mit einer neuen Gruppe Delfinnixe mädchenmordend vor der Cobo Bay wütete – er auf der einen Seite und auf der anderen Tyler mit ein paar weiteren Hainixen, die das zu verhindern versuchten.
    Auf das, was sich tatsächlich zwischen den Klippen unterhalb von Fort Hommet ereignete, war ich überhaupt nicht gefasst.
    Zuerst sah ich nur die beiden Körper, die im Wasser trieben, unnatürlich zappelnd der eine, vollkommen leblos der andere, dann den Umriss eines kleinen Bootes direkt über ihnen an der Oberfläche. Im nächsten Moment drang ein Zischeln in mein Gehör, ganz kurz nur, aber mir war sofort klar, dass es sich dabei um die Gedankenfetzen von Delfinnixen handeln musste. Ich wirbelte einmal um die eigene Achse und scannte blitzschnell die Umgebung, konnte jedoch außer den orangebraunen Felsen, Algen und unzähligen Muschelgehäusen nichts entdecken.
    Lass sie! Kümmere dich um Ruby!
    Cyrils Schrei durchschnitt mein Herz, und für ein paar Sekun den war ich wie gelähmt. Ich registrierte honigblonde Haare, die wie die Tentakel einer Qualle im Wasser schwebten, ich sah, wie Cyril mit

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