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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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mir an, aber da war es bereits zu spät. Ich hatte die unzähligen silbrig schil lernden Leiber, die sich in der Ferne aus der Meerestrübe heraus schälten, bereits ausgemacht. Eng zusammengepfercht in einem gewaltig großen Netz wuselten die Tiere umeinander.
    Sie leben noch, Cyril, sie leben!, rief ich und stob mit kräftigen Flossenschlägen auf sie zu.
    Warte! , rief Cyril.
    Sicher beeilte er sich, hinter mir herzukommen, aber natürlich war ich viel schneller als er.
    Ich erreichte das Netz, schob meine Finger zwischen seine Maschen und zerrte daran. Doch das Material war viel zu stabil, meine Kraft reichte nicht aus, um es zu zerreißen. Ich spürte die glatten Körper der Fische auf meiner Haut und sah in unzählige, panisch um sich blickende Augen und in große und kleine Mäu ler, die sich hektisch öffneten und wieder schlossen.
    Cyril, wir müssen sie befreien!, brüllte ich.
    Das kannst du vergessen, antwortete er. Diese Netze sind so beschaffen, dass es keinen Durchschlupf für die Tiere gibt.
    Aber irgendwie geraten sie doch auch hinein!, schrie ich aufgebracht.
    In diesem Moment glitt Cyril neben mich. Komm, lass uns zurückschwimmen, sagte er sanft. Wir können ihnen nicht helfen. Ich habe keine Ahnung, wie diese verdammten Netze konstruiert sind. Wenn man versucht, aus ihnen zu fliehen, ziehen sie sich nur umso enger zusammen.
    Ich starrte ihn an. Woher weißt du das?
    Das spielt keine Rolle, erwiderte er ausweichend.
    Doch, Cyril!, brüllte ich. Das tut es sehr wohl!
    Er sah mich nur an.
    Lass uns zurückschwimmen, sagte er noch einmal.
    Nein. Ich schüttelte energisch den Kopf, denn ich dachte gar nicht daran, diese Tiere ihrem Schicksal zu überlassen. Ich würde das ganze Treibnetz absuchen und nicht eher ruhen, bis ich eine Möglichkeit gefunden hatte, sie daraus zu befreien.
    Bitte, Elodie, flehte Cyril, sei doch vernünftig.
    Das ist noch nie meine Stärke gewesen und … Weiter kam ich nicht, denn in diesem Augenblick sah ich ihn, den Delfin, der sich ver zweifelt zwischen den Fischleibern hindurchzwängte und gerade wegs auf mich zuhielt. Es war kein Nix, sondern ein ganz normaler Delfin, aber er musste meine Anwesenheit gespürt haben. Sein Maul stupste gegen meine Finger und sein ängstlicher Blick stach mir mitten ins Herz.
    Cyril, er bekommt keine Luft mehr!
    Ich weiß.
    Wir müssen ihm helfen!
    Das können wir nicht.
    Aber … Ich fasste es nicht. Wie kannst du nur so schnell aufgeben! Bloß weil es ein Delfin ist?
    Ich wusste, es war ungerecht, ihm so etwas zu unterstellen. Aber der Gedanke, dieses wundervolle junge Tier sich selbst und damit einem qualvollen Tod zu überlassen, war mir einfach unerträglich.
    Ich könnte ihn auch nicht retten, wenn es ein Hai wäre, sagte Cyril.
    Ein Hai hätte eine Chance, stieß ich aufgewühlt hervor. Er kann unter Wasser atmen, die Fischer würden ihn freilassen, wenn sie …
    Dann hast du offenbar noch nie ein Haifischsteak gegessen, unter brach Cyril mich.
    Ich wollte etwas erwidern, aber mir fehlten die Worte. Natür lich hatte ich noch nie ein Haifischsteak gegessen. Früher, als ich noch nicht wusste, wer ich war, bekam ich Fisch überhaupt nur dann herunter, wenn er sich unter einer dicken Panade aus Ei und Semmelbröseln befand.
    Ich wandte mich von Cyril ab und mit ganzer Aufmerksam keit dem Delfin zu, der in diesem Moment sein Schnabelmaul in meine Hand schmiegte. Ich spürte das Beben, das seinen Körper erschütterte, und sah, wie das Atemloch in seiner Schädeldecke zitterte. Doch der Blick aus seinen kleinen runden Augen lag ru hig und fest auf mir.
    Du glaubst, dass ich dir helfen kann, wisperte ich stockend, wäh rend ich vergeblich versuchte, meine freie Hand durch die engen Maschen zu zwängen. Aber du irrst dich, ich kann es nicht.
    Mein Hals wurde eng und mein Kehlkopf sprang schmerzhaft auf und ab. Ich hätte losheulen können, so verzweifelt war ich, und so weh tat das, was ich hier gerade erlebte.
    Ich dachte an Gordy und wünschte mir, dass er jetzt in dieser Sekunde bei mir sein könnte. Nicht für mich, um mir Trost und Kraft zu geben, sondern einzig und allein, um das zu tun, wozu ich nicht in der Lage war: diesem Delfin seinen Tod zu erleichtern.
    Augenblicklich durchflutete eine sanfte Wärme mein Herz und strömte durch meine Schultern und Arme bis in meine Hän de hinein.
    Der Delfin gab einen leisen Klicklaut von sich. Sein Atemloch blähte sich ein letztes Mal, dann entrückte sein Blick, und sein Körper

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