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Meerhexe

Meerhexe

Titel: Meerhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irma Krauss
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leer. Und am Montagmorgen fing er dann zu rennen an.
    Seitdem klagt er über seine Fresssucht und darüber, dass Jogging auch nichts bringt: Noch kein Gramm habe er abgenommen. Über seinen wahren Kummer spricht er nicht. Wenn er ein Wort sagen würde, könnte ich ihm antworten, dass er keine Gespenster sehen soll. Aber er zieht mich nicht in sein Vertrauen, sondern guckt mich nur immer gequält an und jammert über sein Gewicht.
    Einmal habe ich ihn mit Oma flüstern hören. Ich habe nicht alles verstanden. Nur so viel, dass sie sich bloß nicht unterstehen soll, Alicia anzurufen. Sonst wird sie was erleben. Und er meine das ganz im Ernst.
    Daraufhin hat sich Oma gekränkt zurückgezogen. Sie wird sich hüten, sich einzumischen, hat sie gesagt.
    Also das große Schweigen der Erwachsenen. Meine Angst ist denen völlig egal! Sie behandeln mich, als wäre ich nicht davon betroffen, dass Mama vermutlich mit Ken was hat.
    Verdammt! Meine Mutter soll sich gefälligst zusammenreißen. Es ist schließlich ein Unterschied, ob man mit dreizehn in mehrere Typen verknallt ist oder mit fünfunddreißig und als verheiratete Frau (noch dazu, wo Ken zehn Jahre jünger ist als sie)! Oder nicht?
    Ach, ich kenn mich überhaupt nicht mehr aus. In der Situation ist es nur gut, dass ich meinen Vater neuerdings jeden Tag mit dem Computer quäle, das bringt uns beide auf andere Gedanken. Wir probieren immer wieder die paar Spiele, die ein Freund ihm besorgt hat, nachdem der ihm letztes Jahr den Computer eingerichtet hatte. Mein Vater ist nicht ganz bei der Sache, er tut es wirklich nur mir zu Gefallen. Deshalb schaffe ich meistens viel mehr Punkte als er. Könnte echt Spaß machen.

    Ich habe überlegt, ob ich Franziska zum Schein um etwas bitten soll. Um einen Tipp von ihrem Bruder nämlich, für ein gutes Computerspiel. Das Zeug, das mein Vater hat, ist ja richtiger Kinderkram, Memory, Geschicklichkeitsspiele, all so was. Zufällig habe ich auf Torstens Bildschirm gelinst und dort ganz was anderes entdeckt. Wenn ich nun mit meiner Frage nach einem guten Spiel Torsten signalisiere: Da ist eine in der Klasse meiner Schwester, die interessiert sich für Computerspiele - was passiert dann? Speist er mich mit einem Tipp ab oder wird er vielleicht neugierig auf mich?
    Etwas stört mich an meinem Plan. Dass die Sache über Franziska laufen muss. Mit Franziska weiß Denise dann Bescheid und Britta kriegt auch gleich alles mit. Ich will aber, dass mein Interesse an Torsten geheim bleibt, ich mach mich doch nicht zur Witzfigur.
    Deshalb lasse ich den Gedanken an Franziska fallen und entscheide mich für Plan Nummer zwei. Ein Anruf bei Oma bestätigt mir, dass Torsten heute Nachmittag Klavierstunde hat. Ich ziehe mein Sonnenuntergangshemd und die rosa Hose an und wasche mir noch schnell die Haare, obwohl ich die erst am Morgen für Ulrich gewaschen habe. Ein bisschen Wimperntusche und Abdeckcreme für drei Pickel, das war’s.
    Ich fahre zu Oma. Dort platziere ich mich auf der Stufe vor ihrer Haustür. Das ist eine gute Position. Denn einer, der immer nach unten guckt, kommt auf diese Weise kaum um meine grünen Augen herum.
    Als Torsten die Tür von innen öffnet, macht mein Herz einen Satz. Aber sonst bin ich ganz ruhig, wenigstens äußerlich. Unsere Blicke treffen sich. Meiner strahlt nach oben, der von Torsten prallt dagegen und weiß nicht, wohin.
    »Hallo«, sage ich und rücke so weit zur Seite, dass Torsten bequem die Tür zumachen kann.
    Er fasst sich schnell. »Hallo«, sagt er heiser und beeilt sich mit der Tür.
    »Ich hab auf dich gewartet«, presche ich vor. Es geht nicht anders, der Typ haut mir sonst gleich ab. Mein Gesicht glüht, aber ich zeige neben mich auf die Stufe. »Hast du einen Moment Zeit, Torsten?« Weiterreden. »Ich wollte … ich wollte dich was fragen. Wegen einem Computerspiel.«
    Torsten hat die Noten umklammert, als fürchte er, ich könnte sie ihm entreißen. Beim Wort Computerspiel lockert er allerdings seinen Griff abrupt. Er schiebt sich die Noten unter den Arm und peilt ohne Problem die Stufe zu seinen Füßen an.
    »Welches?«, fragt er interessiert.
    Ha! O Mann! Ich fühle mich wie Ali Baba, der mit dem Sesam-öffne-dich in den Berg gekommen ist. Zauberworte können so einfach sein!
    Ich rücke in meine Ecke und warte, bis Torsten sitzt. Dann erzähle ich ihm meine Story. Dass ich total auf Computerspiele abfahre und dass es bei mir zu Hause leider nur Kinderkram gibt. »Übrigens heiße ich Madeleine«,

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