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Meerhexe

Meerhexe

Titel: Meerhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irma Krauss
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an, er soll auch zum Essen kommen«, schlägt mein Vater vor.
    Ich lasse einen Topfdeckel fallen. »Iiihh!«
    »Lukas ist noch im Bett«, sagt Britta geistesgegenwärtig. »Er kann das Telefon nicht hören.«
    »In deinem Alter sollte man wissen, wie man einen heißen Topf anfasst«, belehrt mich Oma.
    Weiß ich ja. War nur der Schreck. Lukas hier - o Horror!
    Wir stehen alle in der Küche herum. Onkel Bangemann mustert Britta wohlwollend. Ihre Rubbeltattoos scheinen ihn etwas zu verwirren. »Ist das echt?«, fragt er und tupft ihr auf den Bauchnabel. (Britta hat sich rund um den Nabel ein ganz süßes Tattoo gemacht.)
    Sie zieht bei der Berührung den Bauch ein und kichert.
    Oma klopft Onkel Bangemann im Vorübergehen auf die Finger. »Lass das, Walter«, sagt sie streng.
    »Ich wollte ja nur wissen, ob es echt ist«, verteidigt sich Onkel Bangemann.
    »Es ist nicht echt«, gibt Britta Auskunft. »Man kann es wieder wegmachen.«
    »Da hast du aber Glück«, meint Onkel Bangemann. Er wendet sich an mich und schenkt mir denselben wohlwollenden Blick. Sieht er vielleicht den Unterschied zwischen Britta und mir nicht? »Madeleine, hast du auch so was?«, will er wissen.
    Ich ein Tattoo am Bauchnabel? Ich schüttle den Kopf und werde feuerrot.
    »Warum denn nicht?«
    Völlig entgeistert starre ich den Mann an. Will er mich bloßstellen oder ist er doof? Er guckt so unschuldig und harmlos drein wie einer, der wirklich denkt, mein Bauch wäre für ein Tattoo geeignet.
    Britta grinst und schlägt vor, dass wir es am Nachmittag bei ihr zu Hause probieren könnten, sie hat noch Tattoos übrig.
    »Spinnst du?«, fauche ich sie an. Wollen die mich alle quälen oder bin ich vielleicht über Nacht plötzlich schlank geworden? Schnell äuge ich an mir hinunter. Das Wunder ist nicht geschehen.
    Jetzt gibt mein Vater auch noch seinen Senf dazu: »Ein tätowierter Bauchnabel muss ja nicht sein. Aber so ein Band...« Aufmunternd guckt er von Brittas Hals zu meinem.
    Mit einem Tattooband um den Hals sehe ich noch mehr wie eine Wurst aus - oben abgeschnürt nämlich. Ich hab mir längst Tattoobänder gekauft und vor dem Spiegel ausprobiert. Sie machen sich ganz gut um meine Hefte und Bücher, die können sie von mir aus würgen.
    »Jede trägt Tattoobänder«, sage ich kühl.
    »Wenn du dich von der Masse unterscheiden willst«, lacht mein Vater, »gelingt dir das garantiert mit meinen Hemden.«
    »Oh, du hast ja ein neues an, Madeleine!«, sagt Britta und marschiert mit schiefem Kopf um mich herum.
    Auf meinem Rücken geht, wie ich weiß, die Sonne blutrot unter und taucht eben halb ins Meer. Noch ein Souvenir, dieses Hemd, das meine Mutter von irgendwo mitgebracht hat.
    »Stark«, meint Britta ehrlich. Das Hemd gefällt ihr offenbar so gut, dass sie es am liebsten gegen ihren hübschen Bauchnabel eintauschen würde. Später würde sie deswegen natürlich bittere Tränen weinen. Aber den Tausch würde ich nicht rückgängig machen.
    »Dazu fehlt dir jetzt nur noch eine leichte Sommerhose«, sagt Britta, die von meinen fiesen Gedanken nichts ahnt. »Würde echt gut aussehen. Warum hast du denn immer die dicken Jeans an?«
    »Bravo«, sagt mein Vater.
    Ich schaue genervt von einem zum anderen. »Können wir jetzt vielleicht mal das Thema wechseln?«, knurre ich. Damit bringe ich sie alle zum Lachen und dann reden wir endlich von was anderem.
    Aber mit der Hose hat Britta mich auf was gebracht. Ich könnte wenigstens mal eine anprobieren. Denn dieses Hemd reicht halb über meine schwabbeligen Oberschenkel, weil ich Oma verboten habe, das Meer mit der untergehenden Sonne abzuschneiden. Während die anderen sich zu Tisch setzen, verschwinde ich noch schnell und wühle in den Sachen meiner Mutter. Sie besitzt mehrere ultraleichte Sommerhosen mit Gummizug, die an ihr lässig fallen. Ich finde eine und passe auch hinein. Die Hose hat außerdem noch genau die zartrosa Farbe der Abendwölkchen von meinem Hemd. Zwar fällt sie an mir nicht lässig, weil ich sie ausfülle, aber das verdeckt das Hemd.
    Keiner sagt was, als ich zurückkomme. Sie bemerken es nicht einmal! Was mich mächtig erleichtert. Ich lasse mir das leckere Essen schmecken. Denn das hat nun auch noch Platz.

    Gleich nach dem Essen gehen wir zu Britta. Ein wahnsinniges Gedröhn empfängt uns schon an der Wohnungstür.
    »Ach du Scheiße! Lukas der Spinner in Action«, sagt Britta.
    »Will er das Haus zum Einsturz bringen?«, frage ich.
    »Den Wohnzimmerschrank wahrscheinlich«,

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