Meerjungfrau
verbergen.
»Zum interessantesten Punkt bin ich noch gar nicht gekommen. Ich habe ziemlich bald entdeckt, dass Christian im Alter von drei Jahren Waise wurde. Er ist übrigens in Trollhättan geboren und wohnte noch dort, als seine Mutter starb. Einen Vater hat es nie gegeben. Ich habe also beschlossen, noch ein bisschen weiterzuschnüffeln.«
Sie nahm ein Blatt Papier in die Hand und las laut vor, was darauf stand. Nun lauschte Patrik gespannt. Sie sah, dass es in seinem Kopf nur so ratterte, während er versuchte, all die neuen Informationen mit dem wenigen zu verbinden, was sie bereits wussten.
»Dann hat er mit achtzehn also wieder den Namen seiner Mutter angenommen«, sagte Patrik. »Thydell.«
»Ãber die habe ich auch einiges herausgefunden.« Sie reichte ihm eine beschriebene Seite, die er hastig las. Er wollte nun so schnell wie möglich zur Lösung vordringen.
»Es gibt einige lose Enden, mit deren Hilfe man den Wust entwirren kann«, sagte Annika, als sie Patriks Eifer sah. Sie liebte es, sich durch Karteikästen zu wühlen und winzige Details zu recherchieren, die sich am Ende zu einer Einheit zusammenfügen lieÃen und im Idealfall die Ermittlungen voranbrachten.
»Und ich weià jetzt, wo ich anfangen muss.« Patrik erhob sich. »Ich werde mit einem blauen Kleid anfangen.«
Annika blickte verwundert hinter ihm her. Wovon um alles in der Welt redete er?
Cecilia wunderte sich nicht, als sie die Tür aufmachte und sah, wer davorstand. Eigentlich hatte sie damit gerechnet. Fjällbacka war klein, und am Ende kamen alle Geheimnisse ans Licht.
»Komm rein, Louise.« Sie musste sich beherrschen, um sich nicht schützend die Hand auf den Bauch zu legen, wie sie es ständig tat, seit die Schwangerschaft bestätigt worden war.
»Erik ist nicht hier, hoffe ich?«, fragte Louise. Cecilia hörte deutlich ihren Zungenschlag und empfand einen Anflug von Mitleid. Seit die Verliebtheit abgeklungen war, konnte sie sich vorstellen, dass ein Leben mit Erik die Hölle sein musste. Wahrscheinlich hätte sie selbst mit der Zeit auch zur Flasche gegriffen.
»Nein, er ist nicht hier. Komm rein«, wiederholte sie und ging voran in die Küche. Louise folgte ihr. Wie immer wirkte sie in ihrer teuren und klassisch geschnittenen Kleidung elegant; sie trug dezenten Goldschmuck. In ihrem Freizeitoutfit fühlte Cecilia sich schäbig. Da die erste Kundin nicht vor eins kommen würde, gönnte sie sich einen entspannten Vormittag zu Hause. AuÃerdem war ihr jetzt ständig übel, und sie musste die Dinge etwas langsamer angehen.
»Es waren so viele. Am Ende hat man es satt.«
Erstaunt drehte sich Cecilia zu Louise um. Mit dieser Eröffnung hatte sie nicht gerechnet. Sie war eher auf Wut und Vorwürfe eingestellt. Aber Louise sah einfach nur traurig aus. Als Cecilia sich neben sie setzte, entdeckte sie die Risse in der edlen Fassade. Die Haare glänzten nicht, und die Nägel mit dem abgeblätterten Lack waren abgekaut. Die falsch zugeknöpfte Bluse hing auf einer Seite aus der Hose.
»Ich habe ihn zum Teufel gejagt.« Cecilia lieà sich die Worte auf der Zunge zergehen.
»Warum?«, fragte Louise teilnahmslos.
»Ich habe bekommen, was ich von ihm wollte.«
»Und das wäre?« Louise sah sie mit leerem und abwesendem Blick an.
Auf einmal empfand Cecilia eine so groÃe Dankbarkeit, dass sie nach Luft rang. So wie Louise würde sie nie enden, sie war stärker. Doch vielleicht war Louise auch einmal stark, vielleicht von Erwartungen erfüllt gewesen und hatte sich gewünscht, dass alles gut werden würde. Diese Hoffnung war nun zerstört. Nur noch der Wein und jahrelange Lügen waren geblieben.
Einen Augenblick lang überlegte Cecilia, ob sie ihr die Wahrheit noch eine Weile vorenthalten sollte. Die würde noch früh genug offenbar werden. Dann wurde ihr klar, dass sie es erzählen musste. Sie konnte keinen Menschen belügen, der alles verloren hatte, was ihm wichtig gewesen war.
»Ich bin schwanger. Das Kind ist von Erik.« Eine Weile war es still. »Ich habe ihm klargemacht, dass ich von ihm nur finanzielle Hilfe erwarte. Ich habe ihm sogar gedroht, dir alles zu erzählen.«
Louise rümpfte die Nase. Dann musste sie lachen. Ihr Lachen wurde immer lauter und schriller. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Cecilia betrachtete sie fasziniert. Auch diese
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