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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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nur einen kleinen Schreibtisch mit einem Stuhl davor. Auf dem saß sie. Ihre Hände bewegten sich, aber Patrik konnte nicht erkennen, was sie taten. Auf die Ansprache ihres Vaters hatte sie nicht reagiert.
    Â»Alice«, wiederholte er. Diesmal drehte sie sich langsam um.
    Patrik stutzte. Die Frau war wunderschön. Er hatte schnell ausgerechnet, dass sie um die fünfunddreißig sein musste, aber sie sah mindestens zehn Jahre jünger aus. Das ovale Gesicht war vollkommen glatt und wirkte fast kindlich. Die riesigen blauen Augen waren von dichten Wimpern umgeben. Er ertappte sich dabei, dass er sie anstarrte.
    Â»Wir haben Besuch. Das sind Patrik und Paula.« Er zögerte. »Sie sind mit Christian befreundet.«
    Als sie den Namen ihres Bruders hörte, leuchteten ihre Augen. Ragnar strich ihr sachte über das Haar.
    Â»Nun wissen Sie Bescheid. Jetzt kennen Sie Alice.«
    Â»Wie lange schon?« Patrik konnte den Blick nicht von ihrem Gesicht abwenden. Objektiv betrachtet war sie ihrer Mutter unheimlich ähnlich. Trotzdem sah sie ganz anders aus. All die Boshaftigkeit, die in den Zügen der Mutter ihre Spuren hinterlassen hatte, fehlte bei diesem … zauberhaften Wesen. Ihm war klar, dass dies eine alberne Beschreibung war, aber etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
    Â»Lange. Seit dem Sommer, als sie dreizehn war, wohnt sie nicht mehr zu Hause. Dies ist das vierte Heim. Die früheren haben mir nicht gefallen, aber dieses finde ich ganz gut.« Er beugte sich vor und küsste seine Tochter auf die Stirn. In ihrem Gesicht war keine Reaktion zu erkennen, aber sie drückte sich etwas fester an ihn.
    Â»Was …?« Paula wusste nicht genau, wie sie die Frage formulieren sollte.
    Â»Was mit ihr nicht stimmt?«, kam Ragnar ihr zu Hilfe. »Wenn Sie mich fragen, ist mit ihr alles in Ordnung. Sie ist perfekt. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Ich erzähle es Ihnen.«
    Er hockte sich neben Alice und sprach liebevoll mit ihr. Hier bei seiner Tochter war er nicht unsichtbar. Er hielt sich nun gerader, und sein Blick war klar. Er war jemand. Der Papa von Alice.
    Â»Papa kann heute nicht lange bleiben, mein Liebling. Ich wollte nur, dass du Christians Freunde kennenlernst.«
    Sie sah ihn an. Dann drehte sie sich um und nahm etwas vom Schreibtisch. Eine Zeichnung. Sie hielt sie ihm direkt unter die Nase.
    Â»Ist das Bild für mich?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ragnars Schultern sackten ein wenig herunter. »Ist es für Christian?«, fragte er leise.
    Sie nickte.
    Â»Ich schicke es ihm. Versprochen.«
    Der Anflug eines Lächelns. Dann machte sie sich wieder an die Arbeit. Sie zeichnete.
    Patrik warf einen Blick auf das Blatt in Ragnar Lissanders Hand. Es kam ihm bekannt vor.
    Â»Sie haben Ihr Versprechen gehalten. Sie haben Christian die Bilder geschickt«, sagte er auf dem Weg zur Tür.
    Â»Nicht alle. Sie malt so viele. Nur manchmal, damit er weiß, dass sie an ihn denkt. Trotz allem.«
    Â»Woher wussten Sie, wohin Sie die Bilder schicken mussten? Soweit ich weiß, hat er mit achtzehn jeden Kontakt zu Ihnen abgebrochen«, sagte Paula.
    Â»Das stimmt, aber als Alice unbedingt wollte, dass Christian ihre Bilder bekommt, habe ich herausgefunden, wo er wohnte. Ich war wohl auch ein bisschen neugierig. Zuerst suchte ich nach unserem Nachnamen, ohne Ergebnis. Dann probierte ich es mit dem Namen seiner Mutter und stieß auf eine Adresse in Göteborg. Eine Weile verlor ich ihn aus den Augen. Er zog um, und die Briefe kamen zurück, aber dann habe ich ihn wiedergefunden. In der Rosenhillsgatan. Von seinem Umzug nach Fjällbacka wusste ich nichts. Ich dachte, er wäre noch in der alten Wohnung. Die Briefe kamen nie zurück.«
    Ragnar verabschiedete sich von Alice. Im Flur erzählte ihm Patrik von dem Mann, der die Briefe an Christian aufbewahrt hatte. Sie setzten sich in einen großen, hellen Raum, der als Speisesaal und Cafeteria diente. Die Atmosphäre war unpersönlich. Die Palmengewächse vor den Fenstern bekamen offensichtlich ebenso wenig Wasser und Pflege wie die Topfpflanze in Alices Zimmer. Alle Tische waren leer.
    Â»Sie schrie viel.« Ragnar strich mit der Hand über die pastellfarbene Tischdecke. »Wahrscheinlich hatte sie Koliken. Iréne hatte bereits in der Schwangerschaft das Interesse an Christian verloren. Als Alice dann auf die Welt kam und so viel Aufmerksamkeit verlangte, blieb für Christian

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