Meerjungfrau
warf einen Blick in die Spüle. Kein Hinweis darauf, dass Christian gestern Besuch gehabt hatte. Es deutete auch nichts auf körperliche Gewaltanwendung oder einen Einbruch hin. »Warum haben sie ihre Tochter nicht erwähnt?«
»Das wissen wir bald. Aber ich finde, wir sollten eigene Nachforschungen anstellen, bevor wir mit ihnen reden.«
»Das glaube ich auch. Und dann müssen sie uns eine ganze Reihe von Fragen beantworten.«
Sie gingen die Treppe hinauf. Auch hier sah alles noch so aus wie am Vortag. Abgesehen vom Kinderzimmer. Dort waren die blutroten Buchstaben an der Wand groÃflächig mit schwarzer Farbe übermalt worden.
Sie blieben in der Tür stehen.
»Das muss Christian gestern gemacht haben«, sagte Paula.
»Ich kann ihn verstehen. Das hätte ich wahrscheinlich auch getan.«
»Was hältst du eigentlich von der Sache?« Paula betrat das angrenzende Schlafzimmer. Sie stemmte die Hände in die Hüften und verschaffte sich einen Ãberblick, bevor sie es genauer in Augenschein nahm.
»Wovon?« Patrik war ihr gefolgt und öffnete nun den Kleiderschrank.
»Ist Christian ermordet worden? Oder hat er sich das Leben genommen?«
»Ich weià auch nur das, was ich in der Besprechung gesagt habe, aber ich halte nichts für ausgeschlossen. Christian war ja ein schwieriger Typ. Bei unseren wenigen Begegnungen habe ich gemerkt, dass in seinem Kopf unbegreifliche Dinge vor sich gingen. Jedenfalls scheint hier nirgendwo ein Abschiedsbrief zu liegen.«
»Du weiÃt so gut wie ich, dass es den nicht immer gibt.« Vorsichtig zog Paula die Schubladen heraus und betastete die Kleidungsstücke.
»Ich weiÃ, aber wenn wir einen gefunden hätten, bräuchten wir uns darüber keine Gedanken mehr zu machen.« Er streckte sich und verschnaufte einen Augenblick. Wieder hatte er Herzklopfen und musste sich den Schweià von der Stirn wischen.
»Hier scheint es nichts zu geben, was eine nähere Betrachtung lohnt.« Paula schob die letzte Schublade hinein. »Sollen wir gehen?«
Patrik zögerte. Er wollte nicht aufgeben, aber Paula hatte recht.
»Wir fahren zurück in die Dienststelle und warten, bis Annika etwas herausgefunden hat. Vielleicht hatten Gösta und Martin bei Kenneth mehr Glück.«
»Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben«, erwiderte Paula skeptisch.
An der Haustür klingelte Patriks Telefon. Mit zitternden Fingern fummelte er es aus der Tasche. Und wurde enttäuscht. Es war nicht die Polizeistation, sondern eine unbekannte Handynummer.
»Patrik Hedström, Polizei Tanum.« Er hoffte, das Gespräch schnell beenden zu können, damit das Handy nicht besetzt war, wenn Annika anrief. Dann erstarrte er.
»Hallo, Ragnar.« Aufgeregt machte er Paula, die schon fast am Auto war, ein Zeichen.
»Ja? Ach so. Wir haben auch gewisse Dinge herausgefunden ⦠Natürlich, das besprechen wir persönlich. Wir könnten uns sofort auf den Weg machen. Sollen wir zu Ihnen kommen? Nein? Ja, das finden wir. Dann sehen wir uns dort. Keine Frage, wir setzen uns sofort ins Auto. In einer Dreiviertelstunde also.«
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, sah er Paula an. »Das war Ragnar Lissander. Er will uns etwas sagen. Und zeigen.«
Auf der ganzen Fahrt nach Uddevalla ging ihm der Name nicht aus dem Kopf. Lissander. Dass ihm aber auch nicht einfallen wollte, wo er ihn schon einmal gehört hatte! Auch Ernst Lundgren tauchte dauernd vor seinem geistigen Auge auf. Der Name war irgendwie mit ihm verknüpft. Kurz vor der Abfahrt nach Fjällbacka entschied er sich. Er zog das Lenkrad nach rechts und verlieà die Autobahn.
»Was soll das?«, fragte Martin. »Ich dachte, wir fahren direkt zur Dienststelle.«
»Vorher machen wir einen kleinen Hausbesuch.«
»Bei wem denn das?«
»Ernst Lundgren.« Gösta schaltete einen Gang hinunter und bog links ab.
»Was willst du von ihm?«
Gösta erzählte Martin, was ihm durch den Kopf gegangen war.
»Und du hast keine Ahnung, wo dir der Name schon mal begegnet ist?«
»Dann hätte ich es doch gesagt«, zischte Gösta. Er hatte Martin im Verdacht, ihn wegen seines Alters für vergesslich zu halten.
»Ganz ruhig«, sagte Martin. »Wir fahren jetzt zu Ernst. Vielleicht kann er deinem Gedächtnis ja wirklich auf die Sprünge helfen. Es wäre schön, wenn er ausnahmsweise etwas
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