Meerjungfrau
damit?«
»Sie sind tot. Maria und Emil sind beide gestorben. Und es gibt eine Mordakte, aber die Ermittlungen ruhen.«
»Was ist hier denn los?« Martin kam sofort angerannt, als er Patriks laute Stimme in Annikas Zimmer hörte. Auch Gösta bewegte sich mit für ihn erstaunlicher Geschwindigkeit. Dichtgedrängt standen sie im Türrahmen.
»Ich habe gerade mit einem Mann namens Sture Bogh gesprochen, einem pensionierten Kommissar aus Göteborg.« Patrik machte eine Kunstpause. »Er hat die Zeitungsberichte über Christian und die Drohbriefe gelesen, und der Name hat ihn an einen seiner alten Fälle erinnert. Da dachte er, er könnte uns vielleicht mit wichtigen Informationen weiterhelfen.«
Patrik gab das Telefonat mit dem Kommissar wieder. Obwohl so viele Jahre vergangen waren, hatte Sture Bogh die tragischen Todesfälle nie vergessen können. Er hatte alle wichtigen Fakten genauestens dokumentiert.
Die Wirkung blieb nicht aus. Alle waren baff.
»Lässt er uns das Material zukommen?«, fragte Martin eifrig.
»Es ist ja schon spät. Das wird nicht so einfach sein«, antwortete Patrik.
»Es schadet ja nicht, es zu versuchen«, sagte Annika. »Ich habe die Nummer von der Kripo in Göteborg.«
Patrik seufzte. »Wenn ich nicht bald nach Hause komme, denkt meine Frau, ich hätte mich mit einer vollbusigen Blondine nach Rio abgesetzt.«
»Ruf Erica an, und dann versuchen wir, in Göteborg jemanden zu erreichen.«
Patrik kapitulierte. Offenbar zog es niemanden nach Hause, und er wollte den Tag auch nicht beenden, bevor er alles unternommen hatte, was in seiner Macht stand.
»Okay, aber dann müsst ihr euch alleine beschäftigen, während ich telefoniere. Ich möchte nicht, dass ihr alle an meinen Lippen hängt.«
Er griff nach dem Telefon, ging in sein Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Erica reagierte verständnisvoll. Sie und Maja hatten ohne ihn zu Abend gegessen. Plötzlich bekam er solche Sehnsucht nach seinen beiden Mädchen, dass er am liebsten losgeheult hätte. Er konnte sich nicht entsinnen, jemals so müde gewesen zu sein. Trotzdem holte er tief Luft und wählte die Nummer, die Annika ihm notiert hatte.
Im ersten Moment merkte er gar nicht, dass jemand ans Telefon gegangen war. »Hallo?«, hörte er eine fragende Stimme. Erschrocken begriff er, dass er etwas sagen musste. Er stellte sich und sein Anliegen vor und wurde zu seinem Erstaunen nicht sofort abgewimmelt. Der Kollege in Göteborg behandelte ihn freundlich und zuvorkommend, er erklärte sich bereit, nach den Ermittlungsakten zu suchen.
Nach Abschluss des Gesprächs konnte Patrik nur die Daumen drücken. Eine gute Viertelstunde später klingelte das Telefon.
»Habt ihr sie?« Patrik traute seinen Ohren kaum, als der Kollege mitteilte, der Ordner sei gefunden worden. Patrik bedankte sich überschwänglich und bat den Mann in Göteborg, das Material für ihn beiseitezulegen. Irgendwie würde er es organisieren, dass er die Unterlagen morgen in die Hände bekam. Im schlimmsten Fall musste er selbst hinfahren, oder er belastete das Budget der Dienststelle mit den Kosten für einen Kurier.
Patrik blieb auf seinem Stuhl sitzen, nachdem er aufgelegt hatte. Er wusste, dass die anderen in ihren Zimmern ungeduldig warteten und unbedingt wissen wollten, ob man noch an die alten Ermittlungsakten herankam. Doch zuerst musste er seine Gedanken ordnen. Alle Einzelheiten, alle Puzzleteile schwirrten durch seinen Kopf. Er wusste, dass sie irgendwie zusammenhingen. Die Frage war nur, wie.
Der Abschied erfüllte ihn mit einer merkwürdigen Wehmut. Natürlich wollte er die Mädchen nicht umarmen und tschüs sagen, als wäre er in wenigen Tagen wieder da. Es wunderte ihn jedoch, dass ihn auch der Abschied von dem Haus und Louise bedrückte, die im Flur stand und ihn unergründlich ansah.
Ursprünglich hatte er einfach eine Nachricht hinterlassen und sich davonstehlen wollen. Dann hatte er plötzlich doch das Bedürfnis nach einem richtigen Abschied verspürt. Den groÃen Koffer hatte er sicherheitshalber bereits im Auto verstaut, so dass es für Louise lediglich nach einer gewöhnlichen Geschäftsreise mit leichtem Gepäck aussah.
Obwohl es ihm unerwartet schwerfiel, Lebewohl zu sagen, wusste er, dass er sich bald in seinem neuen Leben eingerichtet haben würde. Man brauchte doch
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