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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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werden, war unvergleichlich. Sogar die Erschöpfung, dieses dumpfe Gefühl in den Beinen, wenn die Milchsäure zuschlägt, wusste er von Jahr zu Jahr mehr zu schätzen. Wenn er rannte, fühlte er sich lebendig. Besser konnte er es nicht erklären.
    Als er sich seinem Haus näherte, drosselte er die Geschwindigkeit ein wenig. Er trat eine Weile vor der Treppe auf der Stelle und hielt sich dann am Geländer fest, um die Oberschenkelmuskulatur zu dehnen. Die Atemluft bildete eine weiße Wolke vor seinem Gesicht. Nach zwanzig Kilometern in relativ hohem Tempo fühlte er sich gereinigt und stark.
    Â»Bist du’s, Kenneth?« Als die Haustür hinter ihm ins Schloss fiel, hörte er Lisbets Stimme aus dem Gästezimmer.
    Â»Ja, Liebste. Ich springe nur schnell unter die Dusche, dann komme ich zu dir.«
    Er drehte die Mischbatterie auf kochend heiß und stellte sich unter den scharfen Strahl. Das hier war beinahe das Schönste an der ganzen Sache. So angenehm, dass er sich kaum davon losreißen konnte. Bibbernd stieg er aus der Duschkabine. Das Badezimmer war ein Iglu dagegen.
    Â»Holst du mir die Zeitung herein?«
    Â»Natürlich, mein Schatz.« Jeans, T-Shirt und Pullover, schon war er fertig. Er steckte die bloßen Füße in die Gummiclogs, die er sich im Sommer zugelegt hatte, und lief zum Briefkasten. Als er die Zeitung herausgenommen hatte, fiel ihm auf, dass in einer Ritze am Boden des Kastens ein weißer Umschlag klemmte. Den musste er am Vortag übersehen haben. Beim Anblick seines mit schwarzer Tinte geschriebenen Namens zuckte er zusammen. Nicht schon wieder!
    Im Haus riss er sofort den Umschlag auf, zog die Karte heraus und las sie noch im Flur. Der Text war kurz und befremdlich.
    Kenneth sah nach, ob auf der Rückseite etwas stand. Nein. Die beiden kryptischen Zeilen waren alles.
    Â»Wo bleibst du, Kenneth?«
    Hastig steckte er den Brief in die Hosentasche.
    Â»Ich habe nur noch was nachgeguckt.«
    Mit der Zeitung in der Hand ging er auf ihre Tür zu. Die weiße Karte mit der schönen Schrift ging ihm nicht aus dem Kopf.
    Inzwischen war es wie eine Droge. Sie war süchtig nach dem Kick, den es ihr bereitete, seine E-Mails zu lesen, in seinen Taschen zu wühlen und den Einzelnachweis seines Telefonanbieters durchzugehen. Wenn sie nichts Verdächtiges entdeckte, entspannte sich ihr ganzer Körper, aber die Ruhe hielt nicht lange an. Bald baute sich die Angst von neuem auf, und die Anspannung steigerte sich, bis die Stimme der Vernunft, die ihr riet, sich zu beherrschen und es bleibenzulassen, zum Schweigen gebracht war. Dann setzte sie sich wieder an den Computer. Gab seine E-Mail-Adresse und das Passwort ein, das sie mühelos geknackt hatte. Er benutzte immer dasselbe. Sein Geburtsdatum, denn das konnte er nicht vergessen.
    Eigentlich war dieses Gefühl, das in ihrer Brust und ihren Eingeweiden wütete, bis sie laut schreien wollte, vollkommen unbegründet. Christian hatte ihr nie Anlass gegeben, ihm zu misstrauen. Seit Jahren überwachte sie ihn, aber nie war ihr etwas aufgefallen, was es nicht hätte geben dürfen. Einerseits war er ein offenes Buch – andererseits das genaue Gegenteil. Manchmal spürte sie, dass er in Gedanken ganz woanders war, an einem Ort, zu dem sie keinen Zutritt hatte. Warum erzählte er so wenig von früher? Seine Eltern seien schon lange tot, hatte er gesagt, und von den übrigen Verwandten, die es ja geben musste, hatte sie auch nie jemanden getroffen. Es gab weder Schulfreunde noch alte Bekannte. Er schien nicht existiert zu haben, bevor er sie kennenlernte und nach Fjällbacka zog. Nicht einmal seine alte Wohnung in Göteborg hatte sie zu Gesicht bekommen. Er war ganz allein mit einem Umzugswagen hingefahren, um seine bescheidenen Habseligkeiten zu holen.
    Sanna überflog die Nachrichten im Posteingang. Einige kamen vom Verlag, Zeitungen baten um Interviewtermine, die Gemeinde schickte Informationen, die seine Stelle in der Bibliothek betrafen. Sonst nichts.
    Wie immer, wenn sie sich aus seinem Account ausloggte, fühlte sie sich wunderbar befreit. Bevor sie den Computer ausschaltete, ging sie routinemäßig die Chronik seines Browsers durch, entdeckte aber auch dort nichts Ungewöhnliches. Christian hatte sich die Onlineartikel vom Expressen und vom Aftonbladet und die Website des Verlags angesehen. Außerdem hatte er auf dem Kleinanzeigenmarkt Blocket

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