Meerjungfrau
ruhigen Moment gefragt, warum Mutter ihn nicht mehr mochte. Vater hatte kurz den Blick von der Zeitung gehoben und erwidert, solchen Unsinn wolle er gar nicht hören. Mutter wäre furchtbar traurig, wenn sie wüsste, was er da sage. Er solle dankbar sein, eine solche Mutter bekommen zu haben.
Er fragte nicht wieder. Mutter traurig zu machen war das Letzte, was er wollte. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als sie glücklich zu sehen, hoffte von ganzem Herzen, dass sie ihm bald wieder über den Kopf strich und ihn ihren hübschen Jungen nannte. Mehr wollte er gar nicht.
Er warf die Decken vor die Waschmaschine und schob das Düstere und Dunkle weg. Sie wollten doch in den Urlaub fahren. Mit dem Wohnwagen.
C hristian trommelte mit dem Füller auf den kleinen Tisch, den man für ihn aufgestellt hatte. Neben ihm lag ein groÃer Stapel der Meerjungfrau . Am Titelbild konnte er sich noch immer nicht sattsehen. Es war so unfassbar, dass sein Name auf einem Buch stand. Einem richtigen Buch.
GroÃen Andrang hatte es bislang wahrlich nicht gegeben, und nun rechnete er auch nicht mehr damit. Nur so erfolgreiche Autoren wie Liza Marklund und Jan Guillou zogen Menschenmassen an. Er selbst war mit den fünf Exemplaren zufrieden, die er bisher signiert hatte.
Trotzdem fühlte er sich ein wenig verloren. Die Leute hasteten vorbei und warfen ihm neugierige Blicke zu, blieben aber nicht stehen. Wenn sie ihn ansahen, wusste er nicht, ob er grüÃen oder lieber so tun sollte, als wäre er mit etwas anderem beschäftigt.
Zum Glück näherte sich nun Gunnel, die Buchhändlerin, und deutete auf den Bücherstapel.
»Würdest du mir vielleicht einige Bücher signieren? Die kann ich später noch verkaufen.«
»Klar. Wie viele brauchst du denn?« Christian war froh, etwas zu tun zu haben.
»Zehn Stück vielleicht?« Gunnel rückte den Bücherstapel gerade.
»Kein Problem.«
»Wir haben eine groÃe Anzeige geschaltet.«
»Davon bin ich überzeugt«, lächelte Christian. Offenbar wollte sie den Eindruck vermeiden, die Buchhandlung habe zu wenig Werbung für die Veranstaltung gemacht. »Mein Name ist ja nicht bekannt, da hatte ich keine groÃen Erwartungen.«
»Ein paar Bücher haben wir immerhin verkauft«, erwiderte sie freundlich und ging zurück an die Kasse.
Er griff nach einem Buch und entfernte die Kappe von seinem Füller. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sich jemand ganz dicht vor seinen Tisch gestellt hatte. Als er aufblickte, hatte er ein groÃes gelbes Mikrophon vor der Nase.
»Wir stehen hier in einer Buchhandlung, wo Christian Thydell zur Stunde seinen Debütroman Die Meerjungfrau signiert. Sie beherrschen heute die Titelseiten. Wie viel Angst machen Ihnen die gegen Sie gerichteten Drohungen? Haben Sie die Polizei eingeschaltet?«
Der Radioreporter, der sich noch immer nicht vorgestellt hatte, aber dem Logo am Mikrophon nach zu schlieÃen vom Lokalsender kam, durchbohrte ihn nahezu mit seinem Blick.
Christians Kopf war vollkommen leer. »Titelseiten?«
»Ihr Name steht vorne auf der Göteborgs-Tidningen . Haben Sie das nicht gesehen?« Ohne Christians Antwort abzuwarten, wiederholte der Reporter seine Frage: »Machen die Drohungen Ihnen Angst? Hat man Ihnen Polizeischutz gewährt?«
Der Reporter blickte sich kurz in der Buchhandlung um. Christian hielt noch immer den Füller in der Hand.
»Ich weià nicht â¦Â«, stammelte er.
»Trifft es zu, dass Sie während der Arbeit an dem Buch Drohbriefe erhalten haben und am Mittwoch auf der Buchpremiere zusammengebrochen sind, weil Sie dort einen weiteren Brief erhalten haben?«
»Doch.« Christian schnappte nach Luft.
»Haben Sie eine Ahnung, wer Ihnen die Briefe geschickt hat? Ist die Polizei informiert?« Wieder landete das Mikrophon direkt vor seinem Gesicht. Christian musste sich zusammenreiÃen, um nicht daraufzuschlagen. Wie hatten die Medien bloà Wind von der Sache bekommen? Seine Gedanken wanderten zu dem Brief in seiner Jackentasche. Er hatte ihn gestern gerade noch aus dem Poststapel gezogen, bevor Sanna ihn entdeckte.
Panisch hielt er Ausschau nach einem Fluchtweg. Als seine Blicke sich mit Gunnels trafen, begriff sie sofort, dass etwas nicht in Ordnung war.
»Was ist denn hier los?«
»Ich mache ein Interview.«
»Haben Sie Christian Thydell überhaupt gefragt, ob er interviewt
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