Mehr als fromme Wuensche
Freiheit eintritt bei gleichzeitigem Respekt für religiöse Gefühle. Wobei: Mit Religion scheint mir ein solcher Aufruhr nur noch wenig zu tun zu haben ...
„Habt Frieden untereinander!“ (Markus 9,50) , lesen wir in der Bibel. Das ist ein Aufruf, Gewalt und Terror nicht mit Gleichem zu vergelten, sondern für den Frieden aktiv und entschieden einzutreten.
Armut
G roßes Kirchentreffen in Brasilien – ein warmes Land, da freut sich, wer aus dem deutschen Winter kommt! Ein wunderschönes und riesiges Land zudem, 175 Millionen Menschen wohnen hier, eine herrliche Landschaft, riesige Plantagen, beeindruckende Gebäude sind zu sehen.
Aber die krasse Armut ist nicht zu übersehen. An jeder roten Ampel kommt ein mageres Kind ans Auto gelaufen, klopft ans Fenster und bettelt. Auf der Straße liegen zerlumpte Gestalten, und ich bin mir nicht sicher: Leben sie, oder sind sie tot? Als ich im Park joggen gehe, ist der Geruch von Urin und Kot kaum zu ertragen. Zwei alte Männer waschen sich im Springbrunnen, eine zahnlose Frau hält mir ein Baby entgegen – es sieht fast aus, als wollte sie es mir verkaufen. Vom Hotel aus sehe ich ein topmodernes Hochhaus, tolle Dachterrassen mit Whirlpool. Und direkt daneben haben hinter einem Zaun Menschen mit ein paar Plastikplanen und Wellblechdächern ein Zuhause zusammengezimmert – ohne Strom, ohne Wasser, unter kaum fassbaren Bedingungen. Jeder vierte Mensch in Brasilien hungert ...
Doch, es gibt auch Hoffnung hier. Bauern etwa, die Land besetzen und Reis anbauen. Hilfsprojekte auch aus Deutschland, von „Brot für die Welt“ und „Misereor“. Aber wenn ich die Armut sehe, die verwahrlosten Kinder, dann denke ich: Wissen wir eigentlich, wie gut es uns geht in Deutschland? Und sind wir bereit, zu sehen, wie viel Hunger und Elend es in derWelt gibt? Gibt es einen Willen zur Solidarität in der einen Welt der Globalisierung, oder rafft jeder nur für sich, was er ergattern kann?
Ja, Brasilien ist ein wunderschönes Land. Ein Land reich an Menschen, an herrlicher Natur, an Bodenschätzen. Aber auch ein armes Land, ohne Rentenversicherung und Gesundheitsversorgung oder Schulen für alle. Da fordert die Globalisierung ihren Preis. Wäre es beispielsweise nicht besser, wir bezahlen schlicht mehr für den Zucker aus deutschen Zuckerrüben, als billigen Zucker aus Brasilien zu holen? Der wird unter unerträglichen sozialen und auch unter unverantwortbaren ökologischen Umständen angebaut. Stattdessen könnte auf den Feldern hier Korn für Brot für die Kinder angebaut werden. Ja, ich weiß, die Welt ist komplizierter als mein naives Denken. Aber billig ist nicht clever und Geiz ist nicht geil!
Wie heißt es in der Bibel: „Brich mit den Hungrigen dein Brot!“(Jesaja 58,7) Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass das möglich ist, auch im Zeitalter der Globalisierung. Unsere Welt ist groß genug für alle, es gibt genug Nahrung. Die Frage ist, ob wir den Mut und den Willen haben, gerecht zu teilen.
Einwanderung
N och einmal Brasilien. Wenn Sie durch den Süden des Landes fahren, können Sie ein Restaurant „Wursthaus“ sehen oder eine Kneipe „Der Bienenfreund“. Es gibt Geschäfte, die „Herrmanns“ heißen und ein Hotel namens „Ritter“. Die kleine Stadt Gramado etwa sieht fast aus wie ein Ort in Süddeutschland mit Fachwerkhäusern und Giebeln. Es ist deutlich zu erkennen, wie viele Deutsche hier eingewandert sind. Und mancher Ältere spricht auch noch Deutsch, das Brauchtum wird gepflegt. Alle aber sprechen auch Portugiesisch.
Als ich das gesehen habe, dachte ich: Das ist doch auch gut, dass Menschen Erinnerungen haben an das Land ihrer Herkunft. Bei den Jüngeren verblasst die Erinnerung natürlich, sie können noch sagen, woher die Großeltern stammten, sind jetzt aber klar beheimatet, Brasilianer eben, ganz eindeutig.
Vielleicht hilft eine solche Erfahrung uns ja, ein bisschen mehr Gelassenheit mit Blick auf die Zuwanderung nach Deutschland zu haben. Sicher, da gibt es Abgrenzungen, das ist normal. Da erinnern sich Menschen an die Heimat, aus der sie stammen, und pflegen ihre Bräuche und Rituale. Aber von Generation zu Generation wird das vermutlich auch verblassen. Allerdings wohl nur unter drei Bedingungen: Wenn die Zuwanderer dieses neue Land mit seinen Gesetzen und Lebensweisen als neue Heimat verstehen. Wenn die Einheimischen die Zugewanderten auch integrieren wollen. Wenn alle eine gemeinsame Sprache sprechen.
Da ich nicht Portugiesisch spreche, habe
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