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Mehr als fromme Wuensche

Mehr als fromme Wuensche

Titel: Mehr als fromme Wuensche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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junge Leute die Alten besuchen, die einsam sind. Wenn Alte für Alleinerziehende zu Großeltern werden. Wenn junge Leute im Posaunenchor mitspielen, den Kindergottesdienst gestalten, Jugendfreizeiten unternehmen, dann sind das Leuchtzeichen im Land, die allzu oft ignoriert werden.
    Es gibt eine neue Frage nach Gott. Und anders als die Elterngeneration schauen die jungen Leute heute unbefangen, ob nicht vielleicht statt Esoterik, Buddhismus und Ayurveda vielleicht auch das gute alte Christentum eine Antwort auf ihre Lebensfragen bietet. Sie lassen sich faszinieren vom jungen Luther, der wie sie einen Weg durchs Leben suchte. Sie jubeln einem alten Mann aus Rom zu, mit dem sie zwar nicht in allem übereinstimmen, der ihnen aber durch seine konsequente Glaubenshaltung Respekt einflößt. Da sitzen sie zu Tausenden und singen lateinische Weisen aus Taizé.
    Ich bin ganz zuversichtlich, dass unsere alte Kirche jung bleibt durch junge Leute, die im christlichen Glauben einen Anker finden in den Stürmen unserer Zeit. Sie erkennen: Worauf schon unsere Vorfahren sich verlassen konnten, das istauch eine Lebenskraft für uns. Die biblischen Geschichten vom barmherzigen Samariter, von der blutflüssigen Frau, vom verlorenen Sohn, die haben Sinn für uns. Wir verstehen sie noch heute über die Grenzen von Ländern und Kulturen hinweg. Sie alle sagen: Gott liebt dich. Du bist gemeint. Bei dir hat sich Gott etwas gedacht. Und mit dieser Lebenszusage machen junge Menschen sich auf den eigenen Weg des Glaubens.
    In den alten Kirchengebäuden und Klöstern finden sie sich wieder in einer Reihe von Menschen, die vor ihnen Gottvertrauen ausgedrückt haben. Sie lernen die Stille neu, das Schweigen, die Meditation. Das Lamento über die so schwierige Lage, all die Zukunftsangst sieht ganz anders aus, kann sich verwandeln, wenn ich den Weg nach vorn gemeinsam gehe: mit anderen Menschen und mit Gott. Da entsteht aus Gottvertrauen Hoffnung auf Zukunft. Jungen Leuten, die so verwurzelt sind, traue ich die Kraft zu, die Zukunft zu gestalten.
    Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen
Und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden,
treu seinem Namen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht,
ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir,
dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.
(aus Psalm 23)

Vorbilder
    D ietrich Bonhoeffer wird von manchen ein evangelischer Heiliger genannt. Am 9. April 1945 wurde er im Konzentrationslager Flossenbürg gehenkt. Der anwesende Arzt schrieb: „Nie habe ich einen Mann so gottergeben sterben sehen.“ In einer Skulptur an der Westminster Abbey in London wird er zu den Märtyrern des 20. Jahrhunderts gezählt. Selbst US-Präsident George W. Bush hat sich bei seiner Rede vor dem Bundestag auf ihn bezogen.
    Der junge Dietrich wuchs als eines von acht Kindern auf, eine Zwillingsschwester hatte er. Bereits mit 21 hatte er sein Theologiestudium beendet und dazu gleich noch einen Doktortitel erworben. So eine Art Überflieger war er. Dann machte er Auslandserfahrungen. Er wurde Vikar in Barcelona, fuhr nach New York, weil man meinte, er sei noch zu jung, um Pastor zu werden. Und so bekam er einen anderen Blick auf das, was in Deutschland geschah. Schon 1933 warnte er in einem Rundfunkvortrag davor, dass „das Bild des Führers in das des Verführers übergleiten“ könne. Der Vortrag wurde vorzeitig abgeschaltet ...
    Im April 1933, nach dem Beginn des Boykotts jüdischer Geschäfte, schrieb Bonhoeffer den Kirchen ins Gewissen, sie dürften nicht nur die Opfer unter dem Rad verbinden, sondern müssten zur Not auch dem Rad selbst in die Speichen fallen. Beliebt hat er sich in seiner Kirche damit nicht gemacht. Er blieb ein Außenseiter. Als er sich schließlich entschieden hat,für den Widerstand gegen Hitler aktiv zu werden, tat er das auf eigene Verantwortung. Er hat seine vielen Kontakte ins Ausland genutzt, um deutlich zu machen: Es gibt Widerstand in Deutschland. Und er hat versucht, frühzeitig mit anderen darüber nachzudenken, wie die Deutschen mit ihrer Schuld umgehen können nach der Zeit der Nazi-Diktatur.
    Ja, es ist wahr: Viele in Deutschland haben versagt in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie hatten nicht den Mut, aufzustehen gegen Ideologie und Hass. Sie haben sich nicht schützend vor Menschen jüdischen Glaubens gestellt. Sie haben zugelassen, dass Millionen von Menschen brutal ermordet

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