Mehr als nur ein sinnlicher Traum?
Problems ansprach, lief es Amy eiskalt den Rücken hinab.
Wenn doch Roland hier wäre! Oder wenigstens Megan mit ihrer unverblümten Art. Doch Roland war tot. Und Megan war für zwei Tage nach Australien geflogen – nicht ohne Amy vorher eine Aufgabenliste für das Sommerfest zu überreichen.
„Ich kann das nicht“, hörte Amy sich schließlich sagen.
„Überlegen Sie es sich gut. Sie wissen ja, dass Sie für die Entscheidung nicht unbegrenzt Zeit haben.“
„Ist es nicht sowieso schon zu spät für … einen Abbruch?“, fragte Amy zaghaft. Vielleicht erübrigten sich dann weitere Diskussionen …
Carol sah in ihrer Klappkarteikarte nach, in der die Ergebnisse von Amys Ultraschalluntersuchung standen. „Hm. Einen Monat lang wäre es noch möglich.“
Für sie würde es vielleicht kein Riskiko bedeuten. Aber das Baby! Nein, Baby war ein zu gefühlsbeladenes Wort. Das ungeborene Leben, das sie in sich trug, würde sie damit beenden.
„Nein, ich kann das nicht“, wiederholte sie. Eine solchen Schritt würde sie sich nie verzeihen. Schließlich war sie jung und gesund, es gab also keine medizinischen Gründe.
„Haben Sie schon einmal an eine Adoption gedacht? Viele Paare wären glücklich, ein Kind als ihr eigenes anzunehmen“, sagte Carol und sah sie über den Rand ihrer Brille hinweg durchdringend an.
Amy fühlte, wie sie ein schlechtes Gewissen bekam. Viele Paare wünschten sich nichts sehnlicher als ein Kind, aber ihr erschien ihre Schwangerschaft wie eine Katastrophe.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Schon wieder! Was war nur mit ihr los?
„Bedenken Sie, dass es für das Wohl des Kindes unter Umständen das Beste sein kann. Geben Sie mir Bescheid, falls sie sich dafür entscheiden.“
Fassungslos sah sie Carol an. Wie könnte sie ihr Baby hergeben? Natürlich war sie im ersten Moment erschrocken, als sie erfuhr, dass sie ein Kind erwartete. Aber allmählich gewöhnte sie sich an den Gedanken, und ihre Bedenken schwanden mehr und mehr. Es weggeben? Amy runzelte die Stirn.
Als sie verwirrt und nachdenklich das enge, weiß getünchte Beratungszimmer verließ, stand Heath vor der Tür und wartete auf sie.
Beim Anblick des schlanken schwarz gekleideten Mannes blieb ihr fast das Herz stehen. Das Wartezimmer wirkte für ihn viel zu klein. „Was machst du denn hier?“
„Mir ist der Termin in deinem Computer aufgefallen, und da habe ich mir gedacht, du könntest etwas Unterstützung gebrauchen.“ Sprachlos sah sie ihn an. Eigentlich wirkte er selbst ziemlich mitgenommen …
Er hatte also an ihrem Schreibtisch gesessen und ihren Terminkalender durchsucht. Amy war empört. „Spionierst du mir nach?“
Unsicher hob Heath den Arm, so als wollte er sie berühren, ließ ihn aber wieder sinken. „Nein, natürlich nicht. Ich habe mir nur Sorgen gemacht, weil du heute Morgen nicht zur Arbeit gekommen bist. Dad hat mir erzählt, du hättest einen Arzttermin, aber ich wusste ja, dass du gestern schon beim Arzt warst. Und heute schon wieder? Da bin ich eben unruhig geworden …“
„Oh, das tut mir leid“, sagte sie mit ehrlichem Bedauern. Gerade hatte sie sich noch gewünscht, dass jemand ihr beistand. Aber nicht Heath, sondern …
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich wollte meinen Termin bei der Familienberatung geheim halten.“
„Oh, Amy.“ Er sah sie an, als ob gern mehr gesagt hätte, aber nicht die richtigen Worte fand. Fürsorglich legte er den Arm und ihre Schulter. „Komm, ich fahre dich zurück zur Arbeit.“
Sofort verspannte sie sich. Wieder wollte Heath über sie bestimmen! „Nicht nötig“, widersprach sie. „Mein Wagen steht auf dem Parkplatz hinter dem Haus.“
Er nickte. „Ich weiß. Meiner auch. Aber du siehst nicht so aus, als ob du in der Verfassung wärst, selbst zu fahren. Wir lassen dein Auto nachher abholen.“
Ihre Streitlust legte sich. Diese Beratung hatte sie doch ziemlich mitgenommen. „Vielleicht hast du recht. Ich fahre mit dir.“
„Habe ich nicht immer recht?“, sagte er lachend.
Dankbar bemerkte sie, dass er sie aufheitern wollte. Doch ihr war ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Die Verantwortung lastete schwer auf ihr. Schließlich betraf ihre Entscheidung nicht nur sie selbst – sondern auch das Leben, das in ihr heranwuchs.
Doch anstatt sie nach Saxon’s Folly zu fahren, ging Heath mit Amy in ein kleines Art-déco-Café in Napier. Nach dem Erdbeben von 1931 war die Stadt weitgehend in diesem damals beliebten architektonischen Stil
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