Mehr als nur ein sinnlicher Traum?
… weinerlich gefühlt. Aber nach Rolands Tod ist das doch kein Wunder, oder? Alle fanden, dass ich gut damit zurechtkomme – aber nun hat die Realität mich eben doch eingeholt.“
Der Arzt räusperte sich und holte ein Ohrthermometer aus seiner Tasche und fragte: „Schläfst du wenigstens gut?“
„In der ersten Zeit nach dem Unfall nicht“, sagte Amy und strich sich die Haare zurück, damit die Temperatur gemessen werden konnte. „Aber seit etwa einem Monat bin ich eigentlich ständig müde.“ Etwas, was sie von sich überhaupt nicht kannte.
Wieder räusperte sich Dr. Shortt. Nachdem er die Temperatur abgelesen hatte, steckte er das Thermometer zurück in die Tasche und trug etwas in seine Karteikarte ein. „Und vorhin bist du ohnmächtig geworden?“
„Ich bin zu schnell aufgestanden.“
Dr. Shortt maß den Blutdruck. „Hm, etwas niedrig.“
Ängstlich fragte sie: „Stimmt etwas nicht mit mir?“ In letzter Zeit hatte sie wirklich wenig auf sich achtgegeben. Irgendwie hatte sie nur von einem Tag zum anderen gelebt, ohne Ziele, Wünsche und Hoffnungen.
Obwohl es Amy überhaupt nicht recht war, bestand Dr. Shortt auf einer gründlichen Untersuchung. Sogar eine Urinprobe sollte sie abgeben, in die der Arzt ein Teststäbchen hielt. Nach wenigen Minuten Wartezeit verkündete er: „Amy, du bist schwanger.“
„Wie bitte?“, fragte sie erschrocken. Das konnte doch nicht sein! Sie schluckte. Eigentlich konnte es doch sein … „Sind Sie sicher?“
Er lächelte. „Die Gefühlsausbrüche, die Müdigkeit, die Ohnmacht … all das sind typische Anzeichen. Und ebenso der niedrige Blutdruck.“
„Oh Gott.“ Amy verbarg das Gesicht in den Händen. „Was soll ich jetzt bloß machen?“
Als der Arzt sie nach ihrer letzten Periode fragte, zögerte sie kurz. „Einmal hatte ich eine ziemlich leichte – und dann kam eine gar nicht. Wegen der Trauer und der ganzen Aufregung, dachte ich.“
„Du brauchst einen Termin für eine Ultraschalluntersuchung. Danach wissen wir mehr.“
Amy nahm die Hände vom Gesicht und nagte an ihrer Unterlippe. „Ich weiß ganz genau, wie weit ich bin.“
Wieder nickte der Arzt. „Umso besser. Natürlich musst du auch dem Vat…“ Er verstummte, und Amy konnte förmlich sehen, wie ihm schlagartig zu Bewusstsein kam, was er da eben beinahe gesagt hätte. „Bitte entschuldige, Amy. Wolltet ihr denn Kinder, Roland und du?“
„Irgendwann schon. Aber zuerst wollten wir heiraten.“ Nie hatte Amy daran gedacht, alleinerziehende Mutter zu werden. Das passte nicht in ihr Weltbild. Nach ihrer Ansicht wurden Babys in glückliche Ehen hineingeboren.
Beinahe hätte sie wieder zu weinen angefangen. Was sollte sie nur tun? Wie konnte ihr Leben in so kurzer Zeit so grundlegend aus den Fugen geraten?
„Vielleicht kann dein Vater dich unterstützen?“
Entgeistert schaute sie den Arzt an. „Wohl kaum! Er kommt finanziell selbst gerade so zurecht.“ Immerhin hatte er vom Verkauf von Chosen Valley so viel Geld übrig behalten, dass er sich ein kleines Häuschen in der Nähe von Hastings hatte leisten können, in dem er seitdem lebte. „Er musste seine Ansprüche ziemlich zurückschrauben.“
Der Arzt gab ihr eine Karte mit einer Telefonnummer. „Geh auf jeden Fall zur Schwangerschaftsberatung, nur damit du siehst, dass deine Lage nicht ausweglos ist. Weißt du, selbst nach so vielen Jahren als Arzt kommt mir die Entstehung neuen Lebens immer noch wie ein Wunder vor.“
Ein Wunder. Amy steckte die Karte ein. Sie konnte noch keinen klaren Gedanken fassen. Wie sollte sie Kay und Phillip beibringen, dass sie, die brave Verlobte Rolands, die nie etwas Unvorhergesehenes tat, geschweige denn etwas, was nicht korrekt war, ihr erstes Enkelkind auf die Welt bringen würde? Ein uneheliches Kind … Und noch schlimmer: Wie sollte sie selbst sich an diesen Gedanken gewöhnen, dass ihr das passiert war?
Heath ging unruhig im Flur auf und ab. Als Amy und der Doktor aus dem Gästezimmer kamen, und Heath Amys blasses Gesicht sah, steigerte sich seine Besorgnis noch.
„Stimmt etwas nicht?“, wollte er wissen.
„Ich überlasse es Amy, Ihnen alles zu erzählen“, sagte Dr. Shortt mit einem Augenzwinken, das Heath hätte beruhigen sollen – doch dieser war viel zu nervös, um es zu registrieren.
Er berührte Amy am Arm und fragte eindringlich: „Was ist los? Bitte sag es mir!“
„Ich glaube, ich werde hier nicht mehr gebraucht.“ Der Arzt war schon auf dem Weg nach
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