Mehr als nur ein sinnlicher Traum?
ruhig wie möglich atmete sie die kühle Abendluft ein. Auch wenn sie ihn wirklich lange kannte, wirklich allein war sie nie mit ihm gewesen.
In das Schweigen hinein, das zwischen ihnen entstanden war, sagte sie hastig: „Heath, wenn es auch keine rein platonische Ehe werden wird, so ist es doch auch keine …“ Rot werdend brach sie ab.
„Keine was?“, fragte er stirnrunzelnd.
Unsicher vollendete sie ihren Satz. „Keine Liebesheirat. Jeder wird dafür Verständnis haben, nur zwei Monate nach Rolands Tod.“
„Alle werden glauben, dass die Trauer uns zusammengebracht hat.“
„Willst du das den Leuten erzählen?“
„Brauche ich nicht. Das werden sie sowieso denken“, sagte Heath, wobei er irgendwie verärgert wirkte.
„Und was werden sie sich noch denken?“ Nach wie vor fürchtete sie sich vor den Gerüchten, die zwangsläufig entstehen würden. „Alle werden zu rechnen anfangen, ob das Baby von Roland ist oder von dir.“
Ohne dass sie aus seinen wie versteinert wirkenden Zügen schlau geworden wäre, sagte er: „Es weiß doch jeder, dass du Roland geliebt hast. Also wird kaum jemand seine Vaterschaft anzweifeln.“
In Amy stieg eine Erinnerung auf.
Ihr Geliebter, der sich über ihr bewegt. Auf seinem edlen Ge sicht mit den hohen Wangenknochen spielt silbernes Mondlicht. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Einen kurzen Moment zögert sie, versucht vernünftig zu sein, doch dann küsst er sie, hungrig und mit geöffneten Lippen. Jetzt noch aufzuhören ist einfach unmög lich. Seufzend lässt sie ihrer Sehnsucht freien Lauf.
Amy blickte Heath an und spürte, wie sie errötete. „Und wenn doch?“
„Glaub mir, das wird niemand wagen.“
Sein ernster und entschlossener Gesichtsausdruck überzeugte sie davon, dass er recht hatte. Amy fühlte sich von ihm beschützt, was ein sehr erleichterndes Gefühl war, auch wenn sie es sich lieber nicht eingestehen wollte. Genau wie die Tatsache, dass sie ihn begehrte.
Die Flitterwochen schienen also keine gute Idee.
Schnell erfand sie eine Ausrede: „Aber das Sommerfest? Ich werde bei den Vorbereitungen gebraucht. Du hast ja keine Ahnung …“ Dabei wedelte sie mit einer langen Aufgabenliste vor seinem Gesicht herum. „Da kann ich nicht einfach freinehmen.“
Ungerührt antwortete er: „Doch. Schließlich geht es um unsere Hochzeitsreise.“
Amy gab es auf. „Wie lange?“, fragte sie.
„Fünf Tage. Danach bleibt auch noch genug Zeit bis zum Sommerfest. Gib mir bitte eine Liste, dann mache ich mich ebenfalls nützlich.“
Doch irgendwie waren ihre Bedenken damit nicht ausgeräumt …
Je näher die Hochzeit rückte, desto unruhiger wurde Amy. Alle Entscheidungen wurden für sie getroffen. Weder wegen des Termins noch bei der Frage nach den Flitterwochen hatte Heath großen Wert auf ihre Meinung gelegt. Allmählich ging er ihr mit seinen guten Absichten auf die Nerven.
Aber etwas hatte sie selbst entschieden: nämlich, dass sie Heath heiraten wollte. Und sie allein kannte den wahren Grund. Immer wieder dachte sie mit schlechtem Gewissen daran. Sie durfte es nicht länger vor ihm verheimlichen …
Sie hatte sich selbst geschworen, ihm noch in der Verlobungszeit zu sagen, was auszusprechen ihr so schwerfiel. Einige Male versuchte sie, mit ihm zu reden, doch stets verließ sie im letzten Moment der Mut. Sie war einfach zu feige.
Am Vorabend der Hochzeit aßen sie und ihr Vater gemeinsam mit Heath in Chosen Valley. Es war ein zwangloses Beisammensein ganz ohne Kleidungsvorschriften. Amy trug eine Jeans, die allerdings um die Taille herum etwas spannte, und ein T-Shirt. Wie üblich war Heath ganz in Schwarz gekleidet.
Mit seiner Einschätzung, dass sie diesen Abend gerne in Ruhe mit ihrem Vater verbringen wollte, hatte Heath völlig richtig gelegen.
Zu dritt genossen sie das wunderbare Essen und gingen danach ins gemütliche Wohnzimmer. Heath’ Haushälterin Josie brachte einen Kakao für Amy, und die Männer probierten verschiedene Portweine.
Amys Vater begann Geschichten aus ihrer Kindheit zu erzählen – denen Heath gebannt zuhörte.
Ja, ihr Bräutigam schien völlig vergessen zu haben, dass sie ebenfalls hier war. Doch plötzlich fragte er: „Amy, hast du dein Eisenpräparat und die Vitamine genommen? Du weißt, morgen wird ein sehr anstrengender Tag.“
Plötzlich empfand sie seine Fürsorge als Anmaßung.
„Hör auf, mir Vorschriften zu machen“, rief sie. „Ich bin doch kein kleines Kind.“
Mit klopfendem Herzen betrachtete
Weitere Kostenlose Bücher