Mehr als nur ein sinnlicher Traum?
gewesen damals – und sehr idealistisch.
In diesem Moment klingelte Megans Handy.
„Geh ruhig ran“, sagte Amy. Mit einem Papiertaschentuch wischte sie sich energisch die Augen. Als das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete, meldete sie sich mit freundlicher Stimme. „Weingut Saxon’s Folly.“ Eine Besuchergruppe wollte einen Termin für eine Weinverkostung.
Megan hatte aufgehört zu telefonieren und wollte offensichtlich das Gespräch fortsetzen. Doch Amy lächelte ihr entschuldigend zu, holte einen Ordner mit Angeboten für Busgruppen aus dem Schreibtisch hervor und fuhr mit ihrer Beratung fort. Als die Gruppe gebucht hatte, blickte Amy auf.
Megan war weg. Zum Glück.
„Ich mache mir Sorgen um Amy.“
Heath sortierte Weine in Regale ein. Hier im Weinlager wurden seit der Gründung des Gutes durch spanische Mönche vor fast hundert Jahren Flaschen von allen Jahrgängen aufbewahrt.
Als er Megans Stimme hörte, drehte er sich um und sah seine Schwester an. „Rolands Tod ist für uns alle sehr schwer zu begreifen. Aber wenigstens haben wir noch uns.“
„Eben. Das ist es ja: Amy hat niemanden, sie steht mit ihrer Trauer ganz allein da. Und sie wirkt so zerbrechlich. Ich glaube, sie ist noch dünner geworden.“
Hilflos zuckte Heath mit den Schultern. „Dad, Joshua und ich, wir alle haben ihr vorgeschlagen, sich eine Auszeit zu gönnen. Zwei Wochen hat sie freigenommen, und als sie wiederkam, ging es ihr eher noch schlechter als zuvor. Langsam weiß ich auch nicht mehr weiter.“
Megan lehnte sich an den alten Tisch, an dem seit Gründung des Weingutes jeder Kellermeister gearbeitet hatte. „In zwei Wochen wäre die Hochzeit gewesen. Wahrscheinlich muss sie dauernd daran denken.“
„Kann schon sein.“ Heath verspannte sich. So lange hatte er Amys bevorstehende Heirat mit seinem Bruder verdrängt, dass er auch jetzt nicht daran erinnert werden wollte. Und das, obwohl er glaubte, dass es Amy hauptsächlich um die stimmungsvolle Feier an sich gegangen war. Heath kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie eine unverbesserliche Romantikerin war.
„Ich glaube, es ist am besten, wenn sie viel zu tun hat.“
„Warum denn das?“ Er selbst war mehr der Meinung, sie brauchte Ruhe und Zeit zum Nachdenken und Trauern.
„Damit sie nicht ins Grübeln kommt.“ Wie immer gefiel sich seine kleine Schwester darin, die Probleme anderer Leute zu lösen. „Ich werde sie noch mehr als bisher in die Organisation des Sommerfestes einbinden. So kommt sie gar nicht zum Nachdenken. Ich bin sicher, die schrecklichen Erinnerungen verfolgen sie noch immer. Schließlich saß sie neben ihm im Wagen.“
Heath wollte gar nicht an die Nacht denken, in der sein Bruder den Tod gefunden hatte.
Vielleicht war Megans Vorschlag gar nicht so schlecht, und etwas Ablenkung konnte Amy wirklich nicht schaden. In den Jahren zuvor hatten Roland als Marketingchef und Megan, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmerte, das Sommerfest vorbereitet.
Nach Rolands Tod trug nun Megan die Hauptverantwortung. Unterstützt wurde sie von Alyssa Blake, Joshuas Verlobten.
Wie Heath Amy kannte, hatte sie sicher nichts dagegen, noch mehr eingebunden zu werden.
„Vielleicht ist das gar keine schlechte Idee“, sagte er schließlich und nahm eine Flasche aus dem Regal. „Ihr muss endlich klar werden, dass Roland nicht mehr lebt.“
Ungeduldig antwortete Megan: „Das weiß sie doch längst. Darum fühlt sie sich ja so einsam.“
Heath war sich da nicht so sicher. Seiner Meinung nach hatte sich Amy in ihr Schneckenhaus zurückgezogen, um sich der Wirklichkeit nicht stellen zu müssen. Doch so konnte es nicht ewig weitergehen. Eines Tages würde es ein schmerzliches Erwachen geben.
Dennoch war es wichtig, dass Amy an diesen Punkt kam, denn nur so würde sie erkennen, dass sie noch immer jung war und noch viel vor sich hatte. Dass das Leben – und die Liebe – ihr noch einiges zu bieten hatten.
Gedankenverloren betrachtete er die Flasche in seiner Hand.
„Vielleicht kannst du mal mit ihr reden, Heath.“ Diesen bestimmenden Ton kannte er an seiner Schwester nur zu gut. Doch diesmal würde er nicht nachgeben.
Er würde nicht mit Amy sprechen. Sie würde ohnehin nicht auf ihn hören. Er hatte schon genug Schaden angerichtet.
Er legte die Flasche zurück, ging zu dem alten Tisch und ließ sich in den bequemen Ledersessel daneben fallen.
„Nein“, sagte er entschieden.
Aufmerksam geworden fragte Megan: „Habt ihr
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