Mehr als nur Traeume
Seite ein Spiegel aus Metall befestigt war, und als sie hineinblickte, sah sie ein verzerrtes Spiegelbild von sich selbst.
Sie schaute zu dem Mann hoch und beobachtete, wie er sein Spiegelbild studierte. War es das erstemal, daß er sich selbst in voller Länge sah? Natürlich nicht, sagte sie sich. Er konnte sich nur nicht an das letzte Mal erinnern.
Sie betrachtete sich nun selbst im Spiegel, während sie hinter ihm stand. Was für ein katastrophaler Anblick! Ihr Maskara saß unter dem Auge statt darüber - das Ergebnis mehrerer Heulkrämpfe. Ihre Bluse war am Ärmel aufgeschlitzt und hing ihr über den Gürtel hinunter. Ihre Haare rahmten wirr und strähnig ihr Gesicht. Sie konnte ihren Anblick nicht länger ertragen und wandte sich ab.
»Jetzt zu den Hosen«, murmelte sie und zog sich in eine. Ecke zurück, während der Verkäufer an ihrem Begleiter Maß nahm. Es blieb eine Weile still im Laden, bis sich die Tür einer Anprobekabine einen Spalt öffnete und der Mann zu ihr hinsah. Sie ging zu ihm.
»Ich komme damit nicht zurecht«, sagte er leise und öffnete die Tür noch ein Stück, damit sie eintreten konnte. »Was ist das für eine Befestigung?«
Dougless versuchte nicht an diese unmögliche Situation zu denken. Sie war in einer kleinen Kabine mit einem Mann eingeschlossen, der nicht wußte, wie man einen Reißverschluß bediente. »Hier, so geht das . . .« Sie begann ihm die Arbeitsweise eines Reißverschlusses an der Hose zu zeigen, die er gerade anprobierte; nahm dann jedoch eine von jenen zur Hand, die auf einem Bügel hingen. Sie zeigte ihm den Verschluß des Geräts, darauf die Haken, die miteinander verbunden wurden, und sah dann zu, wie er, als wäre er noch ein Kind, das Ding öffnete und wieder schloß und mit dem Verschluß mehrmals an den Metallzähnen auf- und niederfuhr. Dann wollte sie die Kabine wieder verlassen.
»Wartet. Was ist das für eine wundersame Substanz?« Er hielt eine Unterhose in die Höhe und zog das Band an der Taille auseinander.
»Ein elastischer Gummi.« Sein Gesicht leuchtete förmlich vor Entdeckerfreude. Sie fühlte sich in diesem Moment ausgesprochen gut.
»Warten Sie ab, bis Sie auf eine Stretchhose stoßen«, sagte sie lächelnd und trat wieder aus der Kabine. »Wenn Sie noch mehr Hilfe brauchen, rufen Sie mich.«
Sie lächelte noch immer, als sie die Kabinentür hinter sich schloß. Sie blickte die Anzüge an, von denen sie umgeben war. Wie nüchtern sie einem Mann erscheinen mußten, der daran gewöhnt war, sich mit einem silbernen Harnisch zu bekleiden. Der Verkäufer hatte den Brustpanzer, das Schwert und den Dolch sorgsam in einer großen Tragetasche verpackt, die er neben der Kabine abgestellt hatte. Dougless vermochte die Tragetasche kaum anzuheben.
Nach ein paar Sekunden kam der Mann aus der Kabine. Er trug ein weißes weiches Baumwollhemd und eine eng anliegende graue Baumwollhose. Das Hemd entsprach der zeitgemäßen Mode und bauschte sich gewaltig; aber die Hose saß stramm. Er sah hinreißend aus.
Sie schaute zu, wie er zum Spiegel ging und sich finster musterte.
»Diese . . . diese ...« sagte er und zerrte an der Naht unter dem Gesäß.
»Hose«, half sie ihm mit der Vokabel aus.
»Sie passen mir nicht. Sie zeigen nicht meine Beine. Ich habe feine Beine.«
Dougless lachte. »Männer tragen heutzutage keine Strumpfhosen mehr; aber Sie sehen großartig aus.«
»Ich bin mir nicht sicher. Eine Kette vielleicht.«
»Keine Kette«, sagte sie. »Verlassen Sie sich auf mich. Keine Kette.«
Sie suchte einen Ledergürtel für ihn aus und dann Socken. »Schuhe müssen wir in einem anderen Laden kaufen.«
Sie gingen zur Kasse, wo der Verkäufer die Summen auf den Preisschildern addierte und diese dann von den Kleidern abtrennte, und Dougless sah mit Entsetzen, daß Nicholas wieder einmal zu seinem Schwert griff. Zum Glück befand es sich in der Tragetasche, so daß er nicht so schnell an die Waffe herankam.
»Er möchte mich berauben!« brüllte der Graf. »Ich kann mir ein Dutzend Diener für weniger anheuern, als er mir für diese schmucklosen Kleider berechnen will.«
Dougless stellte sich zwischen Nicholas und die Ladenkasse, während sich der Verkäufer ängstlich an die Wand drückte. »Geben Sie mir das Geld«, sagte sie mit energischer Stimme. »Heutzutage kostet es alles mehr als früher. Ich meine, es wird Ihnen schon bald wieder einfallen, daß es so ist. Geben Sie mir das Geld.«
Immer noch wütend überließ Nicholas ihr seinen
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