Mehr als nur Traeume
Hören Sie - warum bleiben Sie nicht einfach hier? Warum wollen Sie denn unbedingt zurückkehren? Sie könnten sich hier einen Job besorgen. Sie wären ein großartiger Lehrer für Elizabethanische Geschichte. Sie hätten Ihr gutes Auskommen, wenn Sie Ihre Münzen verkaufen und das Geld gut anlegen würden. Mein Vater könnte Ihnen dabei helfen oder mein Onkel J.T. Beide sind sehr beschlagen in Geldsachen.«
»Ich muß zurückkehren«, flüsterte Nicholas, die rechte Faust in den linken Handteller gepreßt. »Meine Ehre steht auf dem Spiel. Die Zukunft der Staffords steht auf dem Spiel. Wenn ich nicht zurückkehre, wäre alles verpfändet.«
»Verpfändet?« fragte Dougless. Sie wußte gut genug in mittelalterlicher Geschichte Bescheid, um sich einen Begriff von der Tragweite des Wortes >verpfändet< zu machen. »In der Regel verpfändet ein Edelmann seinen Besitz an den König - oder die Königin -, wenn er . . .«Ihre Stimme verebbte, während sie den Kopf hob und ihn ansah. »Wenn er des Hochverrats beschuldigt wurde«, flüsterte sie. »Wie .. . wie sind Sie gestorben?«
»Ich vermute, ich wurde enthauptet.«
4
Dougless vergaß die Problematik, ob er aus dem sechzehnten Jahrhundert stammte oder nicht. »Erzählen Sie mir«, flüsterte sie.
Er schritt noch eine Weile in der Kirche auf und ab, blieb dann stehen, starrte auf die Grabplatte hinunter und setzte sich schließlich neben sie auf die Kirchenbank. »Ich besitze Ländereien in Wales«, sagte er leise. »Ich erfuhr, daß meine Ländereien dort angegriffen wurden, also hob ich eine Armee aus. In der Eile vergaß ich, eine Petition an die Königin zu richten, damit sie mir die Erlaubnis zur Aushebung dieser Armee gab. Man erzählte ihr . . .«
Er stockte und blickte mit zornigen, harten Augen ins Leere. »Man erzählte ihr, meine Armee sollte sich den Streitkräften der jungen schottischen Königin anschließen.«
»Maria, Königin der Schotten«, sagte Dougless, und Nicholas nickte.
»Ich wurde in einem Eilverfahren zum Tode verurteilt. Ich hatte noch eine Frist von drei Tagen bis zu meiner Hinrichtung, als . . . als Ihr mich hierher riefet.«
»Dann haben Sie ja enormes Glück!« sagte Dougless. »Enthaupten. Abscheulich. Bei uns macht man das heutzutage nicht mehr.«
»Es gibt bei euch keinen Hochverrat? Wie bestraft ihr die Nobilität?« Er hob die Hand, als sie ihm darauf antworten wollte. »Nein, ich muß fortfahren. Meine Mutter ist eine mächtige Frau und hat Freunde. Sie war überaus rührig, um meine Unschuld zu beweisen. Wenn ich nicht zurückkehre und meine Ehre rette, wird sie alles verlieren. Sie käme an den Bettelstab.«
»Die Königin würde alles konfiszieren?«
»Alles.«
Dougless dachte darüber nach. Natürlich war das alles nicht real; aber wenn doch, könnte man heute vielleicht etwas darüber in den Geschichtsbüchern lesen.« Haben Sie eine Ahnung, wer der Königin erzählt haben kann, daß Ihre Armee dazu verwendet werden soll, sie vom Thron zu stürzen?«
»Nein«, sagte er und barg verzweifelt seinen Kopf in den Händen.
Dougless hätte fast die Hand ausgestreckt, um ihm über die Haare zu streichen, vielleicht sogar seinen Hals zu streicheln. Sie unterließ es. Die Probleme dieses Mannes waren nicht die ihren. Da gab es keinen Grund, warum sie dazu auserwählt sein sollte, diesem Mann bei der Suche nach der Antwort zu helfen, warum er zu Unrecht des Hochverrates beschuldigt worden war.
Doch bei der Vorstellung einer so ungeheuerlichen Ungerechtigkeit bekam sie eine Gänsehaut. Vielleicht lag das in ihrem Blut. Ihr Großvater, Hank Montgomery, hatte bei der Organisation einer Landarbeiter-Gewerkschaft geholfen, ehe er nach Hause kam, um die Warbrooke-Reederei zu übernehmen. Heute noch haßte ihr Großvater jede Art von Ungerechtigkeit und würde sein Leben riskieren, um sie zu beseitigen.
»Mein Vater ist Professor für mittelalterliche Geschichte«, sagte Dougless, »und ich habe ihm manchmal bei Nachforschungen geholfen. Vielleicht wurden Sie - äh - mir zugeteilt, weil ich Ihnen bei Nachforschungen helfen könnte. Zudem - wie viele Frauen haben bisher so sehr auf dem trockenen gesessen, daß sie sogar in Erwägung ziehen würden, einem Mann zu helfen, der ein Schwert trägt und kurze Ballonhosen?«
Nicholas sah sie erst verdutzt, dann ärgerlich an und stand auf. »Ihr sprecht von meinen Kleidern? Ihr macht Euch darüber lustig? Diese ... diese .. .«
»Hosen.«
»Hosen. Sie fesseln die Beine eines Mannes.
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