Mehr als nur Traeume
gedenke, dich bei mir zu behalten.«
Sie legte ihren Kopf an seine Brust, teilte seine Robe vorne, damit sie ihre Wange auf seine Haut legen konnte. Sie kämpfte gegen ihre Tränen an; konnte aber nicht verhindern, daß ihr die Augen naß wurden. »Ich habe Angst. Lettice ist . . .«
»... nur eine Frau. Nicht mehr, nicht weniger. Sie besitzt keine überragende Weisheit, keine Zauberkräfte. Wenn du bei mir bist, kann sie mir oder meiner Familie keinen Schaden zufügen.«
»Bei dir?« Ihre Hand war unter seiner Robe und tastete über seine bloße Haut. »Kann ich bei dir bleiben, ohne dich zu berühren?«
Er nahm ihre Hand, die unter seiner Robe über seinen Körper glitt. »Bist du sicher, daß du in deine Zeit zurückgeschickt wirst, wenn ich dich . ..«
»Ja«, sagte sie fest. »Wenigstens denke ich, mir sicher zu sein.«
Er hielt ihre Finger und betrachtete sie, wie ein verhungernder Mann einen festlich gedeckten Tisch ansehen mochte. »Wir würden viel zu verlieren haben, wenn wir es versuchten, nicht wahr?«
»Ja«, sagte sie traurig. »Sehr viel - allzuviel.«
Er ließ ihre Hand fallen. »Du mußt gehen. Ich bin nur ein Mann, und die Versuchung, in die du mich bringst, ist zu groß für mich.«
Dougless wußte, daß sie gehen sollte, aber sie zögerte. Abermals legte sie die Hand auf Nicholas’ Brust.
»Geh!« befahl er.
Rasch rollte sie sich von ihm weg und rannte aus dem Zimmer. Sie kehrte in Honorias Schlafgemach zurück, kroch zu ihr ins Bett, lag dann aber wach neben ihr.
Morgen würde der Mann, den sie liebte - nein, mehr als liebte, der ihr so viel bedeutete, daß selbst die Zeit sie nicht voneinander trennen konnte - das Haus verlassen, um eine andere Frau zu heiraten. Was sollte sie tun, wenn Nicholas mit seiner schönen Gattin zurückkam? (Dougless hatte so viel von Letticens Schönheit gehört, daß sie diese Frau schon deswegen haßte, auch wenn sie nichts anderes über sie gewußt hätte.) Sollte sie einen Knicks vor ihr machen und ihr gratulieren? Ihr etwa sagen: »Ich hoffe, Ihr habt Freude an ihm. Ist er bei Ihnen auch so ein guter Liebhaber, wie er das bei mir gewesen ist?«
Dougless sah im Geist, wie Nicholas und seine hübsche Frau darüber lachten, als sei das ein Geheimnis, das nur sie beide wußten. Sie sah, wie Nicholas Lettice auf seine Arme hob und sie in ihr gemeinsames Schlafzimmer trug. Würden sie bei den Mahlzeiten die Köpfe zusammenstecken und sich gegenseitig zulächeln?
Dougless schlug mit der Faust in das Kissen, daß Honoria sich im Schlaf unruhig bewegte. Männer waren solche Narren. Sie sahen doch nie über eine hübsche Larve hinaus. Wenn sich ein Mann nach einer Frau erkundigte, wollte er nur wissen, wie hübsch sie war. Kein Mann fragte jemals danach, ob eine Frau Moral besaß, ob sie aufrichtig war, gutherzig und ob sie Kinder mochte. Dougless sah im Geist, wie diese liebreizende Lettice einen kleinen Hund vor Nicholas mißhandelte, Nicholas das aber nicht bemerkte, weil die teure, appetitliche Lettice ihn durch flatternde Wimpern hindurch ansah.
»Männer!« schnaubte Dougless wütend, wußte aber, daß sie es nicht so meinte. Nicholas hatte sich heute nacht nicht von ihr verführen lassen, weil er fürchtete, sie zu verlieren. Wenn das nicht Liebe war - was war es dann?
»Vielleicht wollte er sich für Lettice aufsparen«, sagte Dougless in das Kissen hinein und begann zu weinen.
Die Sonne ging auf, und Dougless weinte noch immer. Es war so, als könnte sie ihren Tränenfluß nie mehr aufhalten. Honoria tat alles, um Dougless aufzumuntern, aber es gelang ihr nicht.
Dougless sah, hörte und dachte an nichts anderes mehr als an die bevorstehende Verbindung von Nicholas mit dieser schönen Frau. Was ihr an Möglichkeiten — oder Unmöglichkeiten - blieb, ließ ihre Tränen nur noch reichlicher fließen.
Sie konnte im sechzehnten Jahrhundert bleiben und ohnmächtig zusehen, wie Nicholas mit seiner Frau den Tag verbrachte, mit ihr plauderte, ihr eines Ehrenplatz am Tisch zuwies, der ihr als Gattin eines Sohnes der Familie zustand. Oder sie konnte verlangen, daß Nicholas seine Frau aufgab, oder sie, Dougless, würde das Haus verlassen. Und was würde sie dann tun? Wie wollte sie sich im sechzehnten Jahrhundert ihren Lebensunterhalt verdienen? Ein Taxi fahren? Vielleicht Chefsekretärin werden? Sie konnte recht gut mit Computern umgehen.
Sie war nun schon lange genug in der elizabethanischen Zeit, um zu wissen, wie schlecht eine alleinstehende Frau
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