Mehr Stadtgeschichten
Mrs. Madrigal auf ihrem roten Samtsofa zusammen. Das Grauenhafte, von dem sie weiche Knie und einen trockenen Hals bekam, war, daß Betty die Situation sichtlich genoß.
»Sie wäre gar nicht hier«, fauchte die Maklerin, »wenn sie nicht überzeugt wäre, daß dein Blut in ihren Adern fließt.«
»Das stimmt nicht«, hielt Mrs. Madrigal wenig wirkungsvoll dagegen. »Alle hier können dir sagen, daß das nicht stimmt.«
Bettys Augen wurden zu Schlitzen. »Warum fragen wir nicht Mona? Hmmm?«
»Welchen Sinn sollte das haben? Was würdest du damit gewinnen, Betty?«
Betty schob die Unterlippe vor. »Wahrscheinlich nicht so viel, wie du verlieren würdest.«
»Nein. Da täuschst du dich, Betty. Die Verliererin wäre Mona. Sie braucht jetzt ein Zuhause. Sie braucht familiäre Geborgenheit. Aber was sie gar nicht braucht, ist die Geschichte von deiner uralten Eskapade mit einem sexbesessenen Klempner.«
»Immerhin hat ihm der Laden gehört. Und ich finde es sehr merkwürdig, Andy, daß du meinst, die Identität ihres richtigen Vaters sei für sie nicht weiter von Interesse.«
»Ihn hat sie ja auch nicht interessiert. Weder damals noch heute. Herrgott, es war nur ein Seitensprung!«
»Und du hast wohl eher Anspruch auf sie, oder was? Du, der du sie ganz um den Vater gebracht hast!«
Mrs. Madrigal bekam feuchte Augen. »Ich habe versucht, es wiedergutzumachen, Betty. Siehst du das denn nicht?« Sie deutete fahrig im Zimmer umher, als könnte die Barbary Lane 28 irgendwie die Reinheit ihrer Absichten beweisen. »Siehst du nicht, was ich ihr geben wollte?«
»Dafür ist es zu spät, Andy. Dreißig Jahre sind zuviel.«
»Soll ich etwa vor dir auf die Knie fallen? Geht’s dir darum?«
»Laß dir eins gesagt sein, Andy: Aufhalten wirst du mich nicht.«
»Sie geht nicht nach Minneapolis zurück. Das kann ich dir garantieren.«
»Das ist mir egal.«
»Was bleibt denn dann noch, außer daß du Mona weh tust? Auf längere Sicht wird diese Neuigkeit für sie keinen Unterschied machen. Und dich wird sie weniger lieben, Betty, nicht mehr.«
Das Gesicht der Maklerin blieb starr. »Das werden wir ja sehen.«
»Nein«, sagte Mrs. Madrigal entschieden. »Das werden wir nicht sehen.«
»Was?« Der Ton der Vermieterin hatte Betty einen Schock versetzt.
»Du wirst nämlich die Stadt verlassen, Betty. Wenn du morgen noch hier bist, erzähle ich allen, die es etwas angeht, was du in dem Haus Ecke Leavenworth und Green gemacht hast.«
Betty spürte die Verschiebung der Machtverhältnisse. Sie lag in der Luft wie nach einem Unwetter das Ozon. »Was soll das denn heißen?« fragte sie gereizt.
»Das soll heißen«, antwortete Mrs. Madrigal nach einem Schluck Sherry, »daß du schon viel länger in der Stadt bist, als du Mona erzählt hast.«
»Und wenn schon?«
»Fast einen Monat, und nicht nur ein paar Tage«, sagte die Vermieterin lächelnd.
»Sieh mal, Andy. Ich wußte doch, daß etwas nicht stimmte. Schließlich war Norman Williams verschwunden!« Sie lief hektisch im Zimmer hin und her und warf ihrem Exehemann ab und an einen wütenden Seitenblick zu. »Ich mußte doch was unternehmen.«
»Mhmm. Und da kam dir die Idee, auf eigene Faust ein bißchen herumzuschnüffeln.«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen?«
»Ja, was wohl«, sagte Mrs. Madrigal ruhig. »Wie ist denn die Aussicht im elften Stock?«
Schweigen.
»Das Stockwerk stimmt doch, oder? Ich glaube, Mona hat vom elften gesprochen.«
»Andy, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was …«
»Im elften Stock muß man eine wunderbare Aussicht auf dieses Haus hier haben.« Mrs. Madrigal fixierte ihre Beute. » Besonders um Mitternacht.«
Betty blieb wie angewurzelt stehen. Ihr so entschlossen geschürzter Mund verlor jeden Halt. »Hat Mona dir das erzählt?«
Lächelnd sagte die Vermieterin: »Außer Mona habe ich noch viele andere Kinder.«
Betty stand mitten im Zimmer und starrte vor sich hin. Schließlich sagte sie: »Mist.« Es klang wie das Zischen einer Schlange.
»Deshalb bin ich überzeugt«, sagte Mrs. Madrigal vergnügt, »daß ich deine Zustimmung finde, wenn ich sage, daß es eine Menge Dinge gibt, von denen Mona besser nichts erfahrt. Außerdem braucht sie diesen Jungen fast genauso, wie er sie braucht, Betty.«
»Sie … weiß nicht … Bescheid über mich?«
Mrs. Madrigal schüttelte den Kopf. »Und er auch nicht. Für ihn bist du eine richtige Salome, eine Sirene auf ihrem Felsen!« Sie zwinkerte der Maklerin zu.
Weitere Kostenlose Bücher