Mehr Stadtgeschichten
Schulter. »Ich weiß, aber was ist mit den Rosen?«
»Damit komm ich zurecht. Ich muß einfach … Ich muß endlich wieder mein Leben leben.«
»Und was willst du im Osten machen?«
»Mein Vater hat mir eine Stelle in seinem Verlag angeboten.«
Mary Ann schmachtete ihn an. »Kannst du so einen Job nicht auch hier machen?«
Lächelnd strich er ihr über die Haare. »Du wirst mir fehlen. Das hätte ich wohl gleich zu Anfang sagen sollen.«
Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Verdammt«, sagte sie leise. »Ich könnte mich ohrfeigen.«
»Warum?«
»Ich hätte nicht drängeln sollen. Ich hätte dich nicht auf diesen Trip schicken sollen.«
Sein Gesicht bekam die Farbe einer American-Beauty-Rose. » Du hast mich auf keinen Trip geschickt. «
Sie betrachtete ihn schweigend, las ihm die Angst von den Augen ab. Dann stand sie auf und ging durchs Zimmer. Wenn es jetzt vorbei war, wenn es für sie beide kein Zurück mehr gab, dann hatte sie auch nichts mehr zu verlieren, wenn sie die ganze Wahrheit sagte.
Sie drehte sich zu ihm um. »Burke, der Mann mit den Implantaten singt im Chor der Grace Cathedral.«
»Was?«
»Ich hab mich heute vormittag danach erkundigt. Und ich glaube, daß du mit ihm gesungen hast.«
»Moment mal! Wie hast du das denn rausgefunden?«
Sie wich seinem Blick aus, weil sie nicht so dastehen wollte, als wäre sie besonders stolz auf sich. »Ich … Na ja, als erstes habe ich Jon gebeten, im Krankenhaus anzurufen und nach seinem Namen zu fragen. Dann habe ich in der Grace Cathedral angerufen und mit einem Kerl gesprochen, der als Küster bezeichnet wurde, und der hat mir gesagt, daß der Implantatemann … er heißt übrigens Tyrone … also, der Küster hat mir gesagt, daß Tyrone im Chor der Grace Cathedral singt.«
In Burkes Augen schimmerte so etwas wie Hoffnung. »Und du glaubst … du glaubst, daß ich mit ihm gesungen habe?«
»Es könnte sein«, sagte sie verhalten. »Du hast mir erzählt, daß du in Nantucket im Chor gesungen hast. Und als wir in Mexiko waren, hast du mir erzählt, daß du in den Briefen an deine Eltern über Gottesdienste in der Grace Cathedral geschrieben hast.«
Mary Ann sah wohl wie ein verängstigtes Kaninchen aus, denn plötzlich lächelte Burke und klopfte neben sich auf das Bett. Sie ging zu ihm, setzte sich und blickte ihn deprimiert an. »Bin ich eine Nervensäge?« fragte sie.
Er küßte sie auf die Nasenspitze. »Du glaubst also, daß der Nachwuchsreporter Burke Andrew in der Grace Cathedral auf finstere Vorgänge gestoßen ist?«
Sie lächelte schüchtern. »Das ist bloß die aktuellste Theorie.«
»Eine Episkopalensekte, hmh?«
»Reit nicht noch darauf herum«, ermahnte sie ihn.
»Eigentlich«, sagte er lächelnd, »finde ich diese Theorie gar nicht so schlecht.«
Als sie in ihre Wohnung hinüberhuschte, stieß Mary Ann auf Mrs. Madrigal, die gerade den Flur saugte. Die Vermieterin hatte ihre Haare auf Lockenwickler gedreht.
»Probieren Sie’s mit einer neuen Frisur?« fragte Mary Ann.
»Das muß sich erst zeigen. Vielleicht sehe ich am Ende aus wie Medusa. Und wo willst du so eilig hin?«
»Burke geht mit mir in die Kirche.«
»Wie romantisch«, sagte Mrs. Madrigal in vollem Ernst.
»Wahrscheinlich werden Blitze auf mich herabfahren. Es ist das erste Mal, daß ich in San Francisco in die Kirche gehe. Und ich bin schon zehn Monate hier.«
Die Vermieterin lächelte. »Sprich ein Gebet für mich.«
»Das haben Sie doch nicht nötig.«
»Heute schon!«
»Warum?«
Mrs. Madrigal rückte ein Stück näher und wisperte. »Heute abend, mein liebes Kind, habe ich ein ernstes Gespräch mit meiner Exfrau.«
Fragen und Antworten
»Hallo, Betty.«
Mrs. Madrigal sagte diese Worte mit einer Wärme und Selbstsicherheit, die Mona erstaunten. Überdies hatte die Vermieterin noch nie schöner ausgesehen. Weiche, schimmernde Haut. Leuchtende Augen. Ein zartgrüner Kimono, der sie umflatterte wie Schmetterlingsflügel.
Außerdem hatte sie an diesem Abend auf ihren gewohnten Kopfputz verzichtet. Ihr Gesicht wurde von weichen, romantischen Löckchen umrahmt. Betty war sichtlich verblüfft.
»Hallo. Ich hoffe, ich … Wie geht es dir?«
Mrs. Madrigal lächelte wie eine gütige Hindu-Gottheit. »Du kannst mich Andy nennen, wenn du willst. Anna geht dir wohl ein bißchen schwer über die Lippen.«
»Nein, es macht … Die Gegend hier ist entzückend. Ich kann jetzt verstehen, warum Mona so verrückt danach
Weitere Kostenlose Bücher