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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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ist.«
    Mrs. Madrigal nahm ihrem Gast den Mantel ab. »Wie ich gehört habe, wohnst du nur ein paar Blocks von hier.«
    »Ja. Aber in einem Hochhaus. Es ist einfach … wunderschön hier. Die Treppe, die von der Straße heraufführt, kommt einem vor wie aus … Ach, ich weiß nicht, aus was.« Sie ging ins Wohnzimmer und musterte alles mit nervösen Blicken. Natürlich mit Ausnahme der Person, die einmal ihr Ehemann gewesen war.
    Mrs. Madrigal holte Sherry aus der Küche. »Für dich habe ich keinen mitgebracht, Mona, meine Liebe. Ich denke, deine Mutter und ich sollten uns ein bißchen unterhalten.«
    Mona sprang auf. »Okay. Ist gut. Ich geh ein bißchen spazieren.«
    »Es wird nicht lange dauern«, sagte Mrs. Madrigal. »Warum gehst du nicht ins Tivoli? Vielleicht kommen wir später nach.«
    »Schön«, sagte Mona lahm und verließ die Wohnung.
     
    Mrs. Madrigal saß schweigend da, nippte an ihrem Sherry und studierte Betty Ramseys rasch dahinwelkendes Lächeln. »Alle Achtung«, sagte sie schließlich, »du hast dich wirklich gut gehalten. Deine Figur ist noch so gut wie vor dreißig Jahren.«
    Betty zupfte an ihrem Rock, um sicherzugehen, daß ihre Knie bedeckt waren. »Yoga hilft da sehr«, sagte sie knapp.
    »Mhmm. Und ein paar Schnibbeleien hier und da.«
    Durch Betty ging ein Ruck. »Ich wüßte nicht, was das hier …«
    »Das war keine Gehässigkeit, Betty.« Mrs. Madrigal lachte aus vollem Herzen. »Ich wäre die Letzte, die den Wert der Chirurgie in Zweifel ziehen würde!« Ihre Fröhlichkeit verschwand genauso rasch, wie sie sich eingestellt hatte. »Sag mir jetzt, was ich für dich tun kann.«
    Die Maklerin schaute auf ihr Glas hinunter. »Ich habe ein Recht, meine Tochter zu sehen«, sagte sie in einem erzwungen ruhigen Ton, als wäre sie kurz davor, aus der Haut zu fahren. »Ich habe ein Recht zu erfahren, was du mit ihr anstellst.«
    Ein mattes Lächeln huschte über das Gesicht der Vermieterin. »Etwas fürchterlich Perverses. Ich schenke ihr ein Zuhause. Und Liebe.«
    »Soll das heißen, daß ich das nicht getan habe?«
    »Das ist doch Unfug, Betty. Mona ist über dreißig.«
    Eine dicke Ader an Bettys sehnigem Hals begann zu pulsieren. »Ich weiß, was du treibst. Du hetzt sie bewußt gegen mich auf. Du benutzt sie, um einen krankhaften Mütterlichkeitsdrang zu befriedigen, der dir das Gefühl geben soll, eine richtige Frau zu sein! Mein Gott! Das ist alles dermaßen daneben, daß ich nicht mal …«
    »Tut mir leid, daß du so gegen mich eingestellt bist. Vielleicht hilft es, wenn ich dir sage, daß du mit deiner Reaktion nicht ganz unrecht hast.«
    »Nicht ganz unrecht! Paß mal auf, Andy! Ich verlange mehr von dir als ein mickriges Glas Sherry und ein paar schlappe Entschuldigungen. Ich will Antworten, verdammt noch mal!«
    Mrs. Madrigal stellte ihr Glas beiseite und faltete die Hände im Schoß.
    »Schön«, sagte sie ruhig. »Ich werde mich anstrengen.«
    Ihre Gelassenheit brachte Betty etwas aus dem Konzept. »Ich will zum Beispiel wissen, was mit Norman Neal Williams passiert ist.«
    Mrs. Madrigals Wedgwood-Augen wurden groß wie Untertassen. »Du hast ihn gekannt?«
    »Komm mir nicht auf die Tour!« fauchte Betty sie an.
    »Ehrlich, Betty, ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Ich hatte ihn auf dich angesetzt, und das weißt du auch! Was hast du getan? Hast du ihn bestochen?«
    »Er ist vor ein paar Monaten verschwunden. Er ist einfach nicht wiedergekommen, Betty. Mein Gott, war er ein Detektiv?«
    »Wie geziert du doch lügen kannst.« Betty sprang auf. »Es hätte mir klar sein müssen, daß ich die Wahrheit von dir nicht erwarten kann. Ich finde, es wird Zeit, daß Mona die Wahrheit über ihren richtigen Vater erfährt!«
    »Betty, bitte …«
    »Es sei denn, du hast sie ihr in deiner grenzenlosen Freimütigkeit schon erzählt.«
    Schweigen.
    Betty lächelte grimmig. »Ich hatte es nicht anders erwartet.«
    »Wie kannst du so rachsüchtig sein? Du wirst ihr damit nur weh tun.«
    »Du hast es doch gerade selbst gesagt. Mona ist über dreißig. Da hält sie das aus. Wo sie doch schon so ein großes Mädchen ist.«

Der geheiligte Stein
    Es wurde schon Abend, als sie auf dem Nob Hill ankamen.
    Vor dem Mark und dem Fairmont wuselten pastellfarbene Touristen hin und her. Mary Ann kamen sie vor wie Küken, die man zum Osterfest bunt gefärbt hatte und die ihre Mütter suchten.
    Aber diese Leute suchten wohl eher ihre Kinder.
    Wie Monas Mutter. Wie Michaels Eltern und Burkes Eltern und

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