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der Oper.«
Frannie konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. »Ach so«, sagte sie betrübt.
»Hast du dir das mit den Spritzen schon mal überlegt?« zwitscherte Vita.
»Mit welchen Spritzen?«
»Der Schafsamen, mein Schatz.«
»Vita!«
»Na ja, ich bin da ganz einer Meinung mit dir, aber Kitty Cipriani behauptet, daß die Spritzen eine ganz neue Frau aus ihr gemacht haben. Ich persönlich glaube eher, daß ihr jemand Schafköttel in die Augen gestreut hat!« Vita lachte schallend, und Frannie lachte trotz ihrer immer düsterer werdenden Stimmung mit.
Schließlich sagte Vita aus heiterem Himmel: »Wie alt bist du, Frannie?«
Die Frage schmerzte in diesem Augenblick vielleicht noch mehr als sonst. Vita war mindestens fünfzehn Jahre jünger als Frannie. »Ich frage aus einem bestimmten Grund«, fügte Vita entschuldigend hinzu.
»Vierundfünfzig«, antwortete Frannie.
»Was für ein Jammer.«
»Reib’s mir nicht auch noch hin, Vita.«
»Aber nein, Schatz. Ich meine, es wäre besser, wenn du schon sechzig wärst.«
»Kannst du mir mal erklären, warum das besser sein sollte?«
Vita ließ ein kehliges Glucksen hören. »Das sag ich dir erst, wenn du mir dein richtiges Alter verrätst.«
Frannie zögerte einen Augenblick, bevor sie nachgab. »Was?!« sagte Vita. »Mensch, toll! «
»Vita, was ist denn bloß in dich …?«
»Laß dich überraschen, Frannie Halcyon! Laß dich überraschen!«
Zu neuen Ufern!
Die Qualen des Kofferpackens auf den letzten Drücker, einer lästigen Erkältung und eines nervenaufreibenden PSA-Flugs nach Los Angeles fielen von Mary Ann ab, als sie die Pacific Princess zu Gesicht bekam.
»Oh, Mouse! Sie ist so weiß! «
Michael kniff sich in den Unterarm. »Dann passen wir ja gut dazu, nicht?«
Mary Ann gab keine Antwort. Sie war gefesselt vom majestätischen Aussehen des riesigen Schiffs, das im Mondschein vor ihnen lag. Der Augenblick hatte etwas Beängstigendes und gleichzeitig Erregendes. Mary Ann fühlte sich wie eine Fallschirmspringerin, die verwegen durch die Luft saust und weiß, daß es diesmal darauf ankommt, daß es diesmal ernst ist, daß sich ihr Schirm diesmal öffnen muß.
Der Taxifahrer schaute über die Schulter zu den beiden nach hinten.
»Seid ihr zwei verheiratet?«
»Nee, aber wir treiben’s miteinander«, sagte Michael und erhielt dafür von Mary Ann den erwarteten strafenden Blick.
»Na, dann«, sagte der Fahrer glucksend. »Love Boat kennt ihr schätzomativ, hm?«
Michael nickte. »Was aus dem Fernsehen, nicht?«
»Genau. Bert Convy. Lyle Waggoner. Celeste Holm.«
»Die ganzen Größen.«
Der Fahrer nickte. »Das is da gedreht worden. Auf der Pacific Princess. Ziemlich sexy, das Zeug.«
»Mhmm. Ich erinnere mich«, sagte Michael mit einem amüsierten Seitenblick auf Mary Ann. »Celeste Holm spielt eine feiste, aber liebenswerte Matrone, die überzeugt ist, daß sich das Thema Männer für sie erledigt hat, bis sie bei der Kreuzfahrt Craig Stevens begegnet. Viele Jahre davor war Celeste mit Craig zusammen, und jetzt … Na ja, jetzt ist das arme Ding starr vor Entsetzen, daß Craig bei der Gelegenheit feststellen könnte, was für ein Pummel aus ihr geworden ist.«
»Und, tut er’s?« wollte Mary Ann wissen.
»Aber nein. Großes Happy-End. Craig ist nämlich in der Zwischenzeit blind geworden.«
»Das hast du dir ausgedacht, Mouse.«
»Großes Pfadfinderehrenwort! Und am Schluß heiraten die beiden sogar.« Er wandte sich an den Taxifahrer: »Stimmt’s?«
»Klar.«
»Anscheinend«, sagte Michael schulterzuckend, »hatte der gute alte Craig auch gleich seinen Tastsinn verloren.«
Der Schiffsfotograf überraschte die beiden auf der Gangway, wo er ihnen ein joviales: »Lächeln, meine Jungverliebten!« zurief. Michael tat ihm den Gefallen und faßte von der Schulter aus auf Mary Anns rechte Brust.
»O mein Gott!« stöhnte er, als sie an Bord kamen. »Gehen wir auf eine Kreuzfahrt oder auf einen High-School-Abschlußball?«
»Mouse, könntest du dich ein klein bißchen benehmen?«
»Elf ganze Tage lang?«
»Es ist ein britisches Schiff, Mouse.«
»Das schon! Aber mit italienischen Stewards.« Er hielt seine ausgestreckten Zeigefinger mehr als einen halben Meter auseinander.
Mary Ann lief rot an, prustete dann aber auch schon los. »Mit normalen italienischen Stewards«, verbesserte sie ihn.
»Das hättest du wohl gerne«, gab Michael zurück.
Ihre Kabine befand sich auf dem Promenadendeck und war Luxusklasse – zwei
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