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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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geraucht habe.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich … da vielleicht die Wahrheit erzählen würde, mein Schatz.«

Ein vorteilhafter Schnitt
    Emma wurde langsam alt, bemerkte Frannie voller Wehmut, als das spindeldürre schwarze Hausmädchen mit dem Frühstückstablett ins Schlafzimmer gezockelt kam.
    »Soll ich die Vorhänge aufziehen, Miss Frances?«
    Miss Frances! Das machte Emma zu einer absoluten Perle, zur letzten Vertreterin ihrer Zunft. Seit sie auf Halcyon Hill arbeitete, hatte es immer nur geheißen: Miss Frances, Miss DeDe, Mr. Edgar …
    »Nein danke, Emma. Stellen Sie das Tablett bitte auf den Tisch.«
    »Ja Ma’am«
    »Emma?«
    »Ma’am?«
    »Finden Sie denn, daß ich … Setzen Sie sich bitte, Emma, ja?«
    Emma folgte ihrem Wunsch und setzte sich vorsichtig auf die Kante eines rüschengeschmückten Sessels neben dem Bett. »Sie sind doch nicht … krank, Miss Frances?«
    »Nein …«
    »Mr. Edgar ist nicht mehr, Miss Frances. Damit müssen Sie jetzt leben. Er ist heimgekehrt in den Schoß Gottes, und es gibt auf dieser gesegneten Erde nicht ein einziges Wesen, das ihn zurückbringen kann, bis der Herr am Tag des Jüngsten Gerichts die Seinen erlöst von …«
    Frannie klingelte mit dem Glöckchen, das auf ihrem Nachttisch stand. »Emma, meine Liebe … von Ihrem Gerede bekomme ich Kopfschmerzen.«
    »Ja, Ma’am«
    »Also, was ich gerne wissen würde … Emma, ich halte große Stücke auf Ihre Meinung. Ich denke, Sie wissen das auch, und … Finden Sie, daß ich mich liften lassen müßte, Emma?«
    Schweigen.
    »Emma, Sie wissen doch, was liften bedeutet, oder?« Das Hausmädchen nickte voller Mißmut. »Schnibbeln.«
    »Nein … Na ja, das gehört auch dazu, aber im Grunde ist es ein kompletter kosmetischer Prozeß, der heutzutage gar nichts Besonderes mehr ist. Ich meine, sehr viele Damen …«
    »Weiße Damen.«
    »Werden Sie nicht unverschämt, Emma.«
     
    Ein Vierteljahrhundert treuen Dienstes auf Halcyon Hill berechtigte Emma zu der finsteren Miene, mit der sie ihre Herrin jetzt ansah.
    »Miss Frances, der Herr hat Ihnen ein ganz prima Gesicht gegeben, und wenn es dem Herrn gefallen hätte, daß Sie …«
    »Ach, pah, Emma! Der Herr muß nicht zu den Treffen der Opera Guild gehen!«
    »Ma’am?«
    »Ich bin so alt, Emma. Und alle meine Bekannten sehen aus wie … Nancy Kissinger! Bei mir hängt alles runter wie bei einem Truthahn!« Sie zog an dem Gewebe rund um ihre Wangenknochen. »Sehen Sie sich das bloß an, Emma!«
    Emmas Blick wurde streng. »Mr. Edgar würde so ein Gerede gar nicht gefallen.«
    Frannie wälzte sich im Bett herum und schob die Unterlippe vor. »Mr. Edgar ist tot«, sagte sie teilnahmslos. Als Emma sich um die Wäsche kümmerte, verriegelte Frannie die Schlafzimmertür und rief Vita Keating an. Die Verstohlenheit dieses Akts machte ihr klar, daß sie selbst mit neunundfünfzig noch nicht erwachsen war. Es hatte immer jemand gegeben, vor dem sie sich rechtfertigen mußte.
    Allerdings war Edgar jetzt nicht mehr da. Nur Emma war ihr noch geblieben.
    Vita, ging es Frannie durch den Kopf, hatte diese Art emotionaler Knechtschaft nie gekannt. Vita war eine Pionierin, eine tatkräftige Unabhängige, die es über ihren irgendwann in den Fünfzigern errungenen Miss-Oklahoma-Titel zum zweiten Platz auf dem Treppchen in Atlantic City und danach zu einem republikanischen Ehemann in San Francisco gebracht hatte.
    Obwohl Vita als Gastgeberin einen untadeligen Ruf genoß, schockierte sie die eher spießigen Angehörigen ihrer Gesellschaftsschicht manchmal damit, daß sie in San Francisco seit ewigen Zeiten geltende Gepflogenheiten über den Haufen warf: Sie war nicht umsonst die erste im Gesellschaftskalender verzeichnete Ortsansässige, die Platzdeckchen aus Jeansstoff mit Kristallgläsern von Waterford kombiniert hatte. Außerdem hatte sie ganz reizende Ideen, was man mit Halstüchern alles anstellen konnte.
    Wer außer Vita verfügte schon über die Extravaganz, sich auf dem Cerebral Palsy Ball in einem Großmutterkleid à la Pionierzeit zu zeigen und dazu noch ein Lasso zu schwingen? Man hatte immer solchen Spaß mit ihr.
    Natürlich lachte sie aus vollem Hals, als Frannie sie mit ihrer Frage überfiel.
    »Mein Gesichtsheini? Ach Gott, Schatz, soviel ich weiß, füllt er in der Schweiz Schafsamen in Fläschchen ab. Mit seiner letzten Patientin hat er den totalen Reinfall erlebt – irgendeine bemitleidenswerte Frau aus Santa Barbara, die am Schluß ausgesehen hat wie das Phantom

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