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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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gemeinsam ins Sonnenlicht emportauchten.
    Wie lange war es schon her, daß jemand das mit ihr gemacht hatte?
    Wie lange hatte sie auf dieses Lächeln gewartet, auf diesen Blick, auf diese starke und gleichzeitig schlichte Persönlichkeit, die ihr begegnet war in einer Welt voll von Habgier, Existenzangst und computerisierten Partnervermittlungen? Und wie lange, lieber Gott, würde es halten?
    Sie legten sich nebeneinander in die Sonne. Ihre Fingerspitzen berührten sich.
    »Was macht Michael heute?« wollte Burke wissen.
    »Er ist auf dem Schiff.«
    »Von mir aus hätte er gerne mitkommen können.«
    »Ich glaube, er will heute mal ausspannen.«
    »Ach so.«
    »Burke?«
    »Ja?«
    »Warum bist du aus Kalifornien weggegangen?«
    Nach einiger Zeit sagte er: »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich wegen … meines Vaters und so.«
    »Wegen deines Vaters?«
    »Wegen der Verlagsarbeit. Er brauchte Unterstützung.«
    »Hast du denn … in San Francisco auch im Verlagswesen gearbeitet?«
    »Nein. Ich habe bloß … so in den Tag hineingelebt.«
    »Drei Jahre lang?«
    Er drehte sich auf die Seite, schaute sie an und lächelte leicht. »Möchtest du wissen, wie reich ich bin?«
    Die Frage hatte sich tatsächlich so angehört, und ihr Fauxpas war ihr schrecklich peinlich. »Nein, Burke! Garantiert nicht. Ich wollte bloß … Ach, laß mal. Ich bin wohl nur ein bißchen nervös.«
    »Weswegen?«
    »Ach, weil es so schrecklich klischeehaft ist!«
    »Was?«
    »Ach, na ja. Man lernt jemand Nettes kennen und kommt phantastisch mit ihm aus, aber natürlich wohnt er dreitausend Meilen weit weg! Das ist schlichtweg Betrug.«
    Er rückte näher an sie heran und legte die Hand auf ihre Wange. »Bist du heute nacht auch betrogen worden?«
    »Nein. Und das weißt du auch.«
    Er küßte sie auf die Nasenspitze. »Wir haben noch eine Woche, Mary Ann. Machen wir das Beste draus, hm?«
     
    In einem Garten mit gepflegtem tropischen Blattwerk aßen die beiden mit Blick auf das Wasser zu Mittag. Ein künstlicher Wasserfall plätscherte in das Schwimmbecken hinter ihnen.
    Ein Kind lief als Sandwichman umher. Auf seinen Plakattafeln wurden die bevorstehenden Veranstaltungen angekündigt. »Wie niedlich!« sagte Mary Ann, als sie das blaue Clownskostüm und die Hofnarrenschuhe mit den gezwirbelten Spitzen sah.
    Doch als das Kind näher kam, machte Mary Ann die Entdeckung, daß es gar keines war. Es war ein Zwerg.
    Peinlich berührt wandte sie sich ab. Sie hoffte, der kleine Mann würde ihren Tisch übergehen und sich einer Gruppe von lauten Touristen zuwenden, die in der Nähe des Schwimmbeckens saßen. Es kam allerdings anders. Er näherte sich dem frischverliebten Paar mit einem breiten, bettelnden Grinsen und streckte den beiden eine rote Rose entgegen.
    Jetzt gab es keinen Ausweg mehr. »Burke, hast du vielleicht einen Peso für ihn?«
    Ihr Begleiter gab keine Antwort. Er saß kreidebleich und totenstarr da.
    »Burke, was ist …?«
    Seine Stimme war kaum mehr als ein Wimmern, klang wie die mitleiderweckende Klage eines gefangenen Tiers. »Schick ihn weg«, stieß er hervor.
    »Burke, es ist doch bloß ein …«
    »Bitte, bitte … Schick ihn weg!«
    Der Zwerg brauchte keine weitere Aufforderung. Er war bereits drei Tische weiter, als Burke ins Gebüsch torkelte und dort kotzend auf die Knie fiel. Mary Ann kniete neben ihm nieder und strich sanft über die Erdbeerlöckchen in seinem Nacken.
    »Ist ja gut«, sagte sie. »Ist ja gut.«
    Kurz darauf ging ein Ruck durch ihn, und er versuchte, seine Würde zurückzugewinnen. »Verzeih mir, bitte. Es tut mir sehr leid. Ich hätte …«
    »Das macht doch nichts«, sagte sie sanft. »Ich kann verstehen, daß er dich …«
    Burke schüttelte den Kopf. »Er war nicht schuld daran, Mary Ann.«
    »Was?«
    »Es war die Rose.«

Douchebag
    Nachdem das Mabuhay Gardens lange Zeit ein auf großbu sige Sängerinnen spezialisierter Filipino-Nachtclub gewesen war, hatte es sich beinahe über Nacht in San Franciscos einzige Punk-Rock-Attraktion verwandelt. In dem Ambiente aus absterbenden Palmen und ramponierten Rattanmöbeln nahm man Bruno Koski glatt den schweren Jungen aus einem frühen Bogart-Film ab.
    Die Punker und Punkerinnen beäugten ihn mit kaum verhohlenem Neid, lechzten im stillen nach seiner pockennarbigen Haut, nach seinen Knopfaugen, nach seiner angeborenen Verkommenheit, die so gar nichts Aufgesetztes hatte.
    Bruno Koski war unverdünnte Realität.
    Jimmy, der Bühnenmanager, erkannte ihn sofort. »Hallo,

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