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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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der Army aber genausowenig ertragen wie die reine Frauengesellschaft im Puff. Und das Gefühl, daß er in Wirklichkeit eine Frau war, blieb während der Zeit in der Army völlig unverändert.
    Kurz nach Kriegsende lernte Andy eines Abends bei einer Tanzveranstaltung in Monterey ein hübsches junges Mädchen kennen. Das heißt, das Mädchen war zu der Zeit eigentlich noch sehr jung, nämlich ungefähr siebzehn. Andy war fünfundzwanzig. Sie war aus Minneapolis zu Besuch und wohnte bei ihrer Cousine in Carmel. Sie hieß Betty Borg, und Andy war auf seine Art ziemlich angetan von ihr. Sie hatte einen lebhaften, unabhängigen Geist, und Andy war erleichtert, als er feststellte, daß er sich zu ihr hingezogen fühlte. Sogar sexuell.
    Betty wollte heiraten und dann wieder nach Minneapolis zurückkehren. Es war dann in der Tat sie, die einen Heiratsantrag machte, und Andy kam zu dem Schluß, daß seinem Problem wohl am besten mit einer Heirat beizukommen wäre. Und so … geschah es dann. Andy kam seinen Verpflichtungen als Ehemann nach, indem er in einer Buchhandlung in Minneapolis arbeitete. Ein Jahr später bekamen die beiden ein kleines Mädchen. Sie nannten es nach Andys Mutter, die von ihm entfremdet noch immer in Winnemucca lebte, Mona.
    Aber es klappte hinten und vorne nicht. Jedenfalls nicht für Andy. Es kam schließlich so weit, daß er Frau und Kind verließ – im Stich ließ –, als das Kind zwei Jahre alt war. Die nächsten fünfzehn Jahre verschwand er praktisch von der Bildfläche, zog als armselige, sich selbst bemitleidende Kreatur, die ihr eigenes Leben und das der Menschen in ihrer nächsten Umgebung verpfuscht hatte, von Stadt zu Stadt. Das fand jedoch alles ein Ende, als Andy vierundvierzig wurde. Denn da raffte er sich zu einer Reise nach Dänemark auf, wo er seine gesamten Ersparnisse für eine Geschlechtsumwandlung ausgab.«
     
    »Und von dort kam er als Anna Madrigal zurück.« Diese Information steuerte Brian bei. Eher fasziniert als schockiert lächelte er die Vermieterin an.
    Sie lächelte zurück. »Es ist ein hübscher Name, findest du nicht? Er ist ein Anagramm.«
    »Aber, wenn Mona Ihre Tochter ist …? Ach so, nein, Sie haben ja schon gesagt, daß sie es nicht weiß.«
    »Nein, sie weiß es nicht. Sie ist vor drei oder vier Jahren nach San Francisco gezogen, und kurz darauf habe ich in Herb Caens Kolumne von einer Mona Ramsey gelesen, die bei Halcyon Communications arbeitete. Es war mir klar, daß es auf der Welt nicht so viele Mona Ramseys geben konnte. Ich habe also ein paar Nachforschungen angestellt, und eines Abends habe ich sie im Savoy-Tivoli angesprochen.«
    »Und?«
    »Sie hat mich sympathisch gefunden, was denn sonst? Also habe ich ihr angeboten, in der Barbary Lane einzuziehen. Sie umgibt sich ja gerne mit dem Ruch der Bohèmienne, und da hat ihr wohl der Gedanke, eine Transsexuelle als Vermieterin zu haben, ziemlich imponiert.«
    »Das wußte sie also schon?«
    »O ja. Von Anfang an.«
    »Weiß Ihre … Ihre Frau denn, wo Sie leben? Oder Ihre Mutter?«
    Mrs. Madrigal schüttelte den Kopf. »Die beiden nehmen wohl an, daß ich tot bin.« Sie lächelte schwach. »Andy ist ja auch tot.«
    »Und jetzt glauben Sie, daß Mona herausgefunden hat, wer Sie in Wirklichkeit sind, und deswegen ausgeflippt ist?«
    »Denkst du nicht auch, daß das möglich wäre?«
    Er lächelte. »Ich denke im Moment nicht besonders klar.«
    »Du Ärmster!«
    »Ich bin … Ich fühle mich sehr geschmeichelt, daß Sie mir das alles erzählt haben, Mrs. Madrigal.«
    »Schön. Können wir den Joint dann jetzt rauchen?«
    Er lachte. »Je früher, je … Moment mal. Wie kann Anna Madrigal ein Anagramm für Andy Ramsey sein?«
    »Ist es ja gar nicht.«
    »Aber Sie haben doch gesagt …«
    »Ich habe gesagt, daß es ein Anagramm ist. Ich habe aber nicht gesagt, wovon.«
    »Wofür steht es dann?«
    »Mein lieber Junge«, antwortete die Vermieterin, die endlich den Joint anzünden konnte, »du sprichst mit einer Frau, die ihr Geheimnis zu wahren weiß!«

Alle Jubeljahre
    Bobbi umschwirrte Mona wie eine Brautjungfer, die am Kleid der Braut noch ein allerletztes Mal Hand anlegt. »Ich glaub, du hast das Oberteil falsch rum an, Judy. Probier mal … Nein, andersrum. Genau. Guck mal, wie hübsch das ist!«
    »Um Himmels willen, Bobbi. Es soll doch nicht hübsch aussehen!«
    »Du weißt schon, wie ich’s mein. Außerdem bist du hübsch. Du kannst richtig stolz sein auf dich.«
    Mona brachte ein winziges Lächeln

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