Mehr Stadtgeschichten
natürlich keine Probleme. Wir besitzen Häuser und Autos und Treuhandvermögen und genügend … Kleingeld, um uns noch mit hundertundzwei jemand von Dial-a-Model kommen zu lassen, wenn wir wollen. Aber die Arschlöcher, die von der Fürsorge oder von Almosen leben, die auf dem Flohmarkt irgendwelchen Mist verkaufen oder im Haight Häuser anstreichen, die brauchen so was, wenn es mal so weit ist.«
Arch machte ein ernstes Gesicht. »Riecht das für dich nicht nach Ausbeutung, Chuck?«
»Ach, Mensch! Irgendwer wird es machen! Das weißt du doch, Arch. Warum sollen wir dann nicht die ersten sein?«
»Ich weiß nicht. Es kommt mir bloß … ziemlich riskant vor.«
»Riskant? Arch, damit schreiben wir im Sozialwesen Geschichte! Die Sache ist reif für das Wall Street Journal! Stell dir das mal vor! Das erste schwule Pflegeheim in der Weltgeschichte!«
Arch Gidde drehte sich um und schaute über die Stadt. »Laß mir noch ein bißchen Zeit, okay?«
Chuck legte ihm den Arm um die Schulter und sagte in einem zärtlicheren Ton: »Nicky hat sich sogar schon einen Namen ausgedacht.«
»Welchen?«
»The Last Roundup.«
»O mein Gott …«
»Kapierst du denn nicht? Ein geschmackvolles, herbes Westernmotiv, die Zimmer mit Holzverkleidung wie in einer Scheune, kleine Gulaschkanonen für das Essen …«
»Nicht zu vergessen die Beutel für die künstlichen Darmausgänge, die selbstverständlich in Hüllen aus Jeansstoff stecken müssen.«
Chuck funkelte ihn wütend an. »Du reißt zwar Witze, aber ich weiß, daß du den Profit siehst, der dabei zu machen ist!«
Schweigen.
»Sieh mal, Arch, es könnte dort doch sehr kultiviert zugehen. Ich meine, wir könnten eine Sauna mit allem Drum und Dran einbauen. Und als Pfleger könnten wir Colt-Modelle einstellen!«
»Das hilft einem sicher gewaltig, wenn sie einen aufs Klo tragen müssen. Weißt du, Chuck, kein Mensch ist wie der andere. Das ist deine Phantasie, die du da durchspielst. Was würdest du zum Beispiel mit den Fummeltrinen anfangen?«
»Wir könnten … Keine Ahnung … Wir könnten einen eigenen Flügel für sie bauen.«
»Und dort vielleicht Helen-Hayes-Look-alike-Wettbewerbe veranstalten?«
»Na, ich sehe keinen Grund, warum …«
Er wurde von Peter Cipriani unterbrochen, der seinen Gästen aufgeregt zurief: »Okay, nicht drängeln. Einer nach dem anderen, meine Herren, einer nach dem anderen.« Er drückte Rick Hampton ein Fernglas in die Hand, das dieser nach Norden richtete.
»Welches Haus?« fragte Rick.
»Das mit den Schindeln dran. An der Barbary Lane. Das Häuschen auf dem Dach, hast du’s?«
»Ja, aber ich kann nichts …«
»Das rechte Fenster.«
»Ach, du meine Güte!«
»Was ist?« fragte Arch, als die anderen sich um Rick drängelten.
»O Gott, seht euch bloß an, was er …«
»Was macht er denn?« kreischte Arch.
»Warte, bis du an der Reihe bist, meine Beste. O Gott, das ist ja nicht zu glauuuuuben … Wie lange geht das schon so, Peter?«
»Mindestens ein paar Wochen. Da drüben in dem weißen Hochhaus gibt es eine Frau, die er beobachtet.«
»Er ist hetero?«
»Offensichtlich.«
»Unmöglich! Heteros haben keinen solchen Body!«
»Ich will auch mal!« drängelte Arch.
Die Pyjamaparty
Hinterher saß Mona vollkommen regungslos auf dem Bett in ihrem Zimmer und vollzog den einzigen Exorzismus, den sie kannte:
Sie rezitierte ihr Mantra.
Es war nicht eigentlich so, daß sie sich schämte. Oder daß es ihr auch nur peinlich gewesen wäre. Sie hatte sich an die Abmachungen gehalten, und damit konnte sie leben. Sie hatte dem Kunden einen Gefallen getan. Sie hatte Mother Mucca einen Gefallen getan. Sie hatte sich in der ganzen blöden Angelegenheit hundertprozentig siebziger-Jahre-mäßig verhalten.
Es war also keine Scham, die sie verzehrte. Es war … nichts. Sie fühlte überhaupt nichts, und das machte ihr riesig angst. Das klaffende Schwarze Loch ihres Daseins hatte erschütternde Ausmaße angenommen, und sie befand sich gefährlich nahe am Abgrund. Wenn sie auch nur einen Augenblick haltmachte, wenn sie sich nicht mehr veränderte, würde die ziellose und monströse Irrationalität des Universums sie bei lebendigem Leib verschlingen.
»Klopf, klopf.«
Schweigen.
»Klopf, klopf.«
»Ja, Bobbi?«
Die Kindsnutte lugte vorsichtig herein. Wie eine Vampirjägerin, die ein Kruzifix schwenkt, winkte sie durch den Türspalt hindurch mit einem Cellophanpäckchen. »Ich hab Oreos dabei. Willst du mir beim Aufessen
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