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zustande. »Hör auf, mich aufzumuntern.«
»Du stichst sicher alle aus, die’s bis jetzt gemacht haben, Judy. Er wird dich lieben in dem Aufzug!«
»Das soll er ja gerade nicht tun.«
Bobbi kicherte. »Mach dir keine Sorgen. ’ne Menge Kunden haben solche Wünsche.«
»Solche?« Mona deutete auf ihr Kostüm.
»Nein, aber sie … Na ja, sie wollen dich nicht ficken. Sie holen sich bei dir bloß … so was Besonderes, was sie sonst nirgends kriegen. Ich hatte mal ’nen Kerl, aus Stockton war er, der hat gewollt, daß ich ’nen schwarzen Slip mit Spitzen dran anzieh und mich auf seinen Schoß setze, und dann hat er mir sein Testament diktiert.«
»Ja, sicher.«
»Ich schwör’s, Judy. Und es hat ewig gedauert. Ich hab damals sogar zu Dr. Craig gemußt.«
»Warum?«
Bobbi kicherte. »Er hat gesagt, ich hätt aus ’nem Schreibkrampf mal so eben ’ne Geschlechtskrankheit gemacht.«
Mona schlenderte in voller Montur nach vorne ins Gesellschaftszimmer und holte sich aus dem Kühlschrank hinter der Bar ein Bier. Sie sehnte sich nach einem Joint.
Charlene tauchte auf und grinste angesichts von Monas Aufzug mokant. »Bist ja arg früh dran.«
»Ich hetze mich nicht gern ab.«
»Er is frühestens in ’ner Stunde da.«
»Das macht nichts.«
»Dein Deo hat dann sicher schon den Geist aufgegeben.«
»Zisch ab, Charlene!«
»Biste nervös, hmh?« Ihr Ton war jetzt offen zickig. Sie hat was gegen mich, dachte Mona. Es stinkt ihr, daß Mother Mucca mich mag.
»Keine Spur«, sagte Mona ungerührt.
»Wenn de meinst«, antwortete Charlene. »Aber dein Bier verschüttste trotzdem.«
Eine viertel Stunde vor ihrem Auftritt saß Mona allein im Gesellschaftszimmer. Mother Mucca kam aus der Küche und setzte sich zu ihr.
»Alles okay?«
Mona nickte.
»Das is was, das kannste mal deinen Enkelkindern erzählen.«
»Klar.«
Die alte Frau achtete darauf, daß das Kostüm nicht in Unordnung kam, als sie Mona den Arm um die Schulter legte. »Aussehen tust de … richtig gut.«
»Danke.«
»Die andern Mädchen sin alle auf ihrm Zimmer. Und da bleiben se auch, bis er wieder weg is. Ihr zwei beide nehmt das Zimmer von Charlene, und ich sag dir Bescheid, wenn du kommen sollst. Er is schon vor dir drin. Haste noch im Kopf, was zu tun is?«
»Ich denke schon.«
Mother Mucca tätschelte Monas Hand. »Du machst es sicher gut.«
»Mother Mucca?«
»Was is?«
»Wie kann er …? Wie kommt er hierhin?«
»Ach, in ’ner Limousine.«
»In einer Limousine?«
»Na klar«, sagte Mother Mucca und tippte sich dabei an die Stirn, um zu zeigen, daß der Mann Köpfchen hatte. »Dann glaubt keiner, daß er’s is, verstehste?«
Es klopfte an Monas Tür.
»Er ist da«, flüsterte Mother Mucca.
Mona schlüpfte in die sternenklare Wüstennacht hinaus. Vom Norden her wehte eine warme Brise, die die Ärmel ihres Habits flattern ließ. Mother Mucca warf einen letzten prüfenden Blick auf ihre Neue, rückte deren Nonnenschleier zurecht und huschte zurück zum Gesellschaftszimmer. Dann öffnete Mona die Tür zu Charlenes Boudoir.
Der Kunde saß mit gekreuzten Beinen neben dem Bett auf dem Fußboden. Er trug das safrangelbe Gewand eines buddhistischen Mönchs.
»Schwester … Ich habe gesündigt.«
Mona räusperte sich. »Ich weiß, mein Kind.«
Die Peitsche lag wie besprochen auf dem Bett.
Idyll auf Zeit
Die Taxifahrt aus Manzanillo hinaus bot ihnen kaum mehr als zerfallende Hamburgerbuden, mit Palmblättern gedeckte Hütten und hin und wieder ein paar kleine Packesel, die neben der Straße im Müll scharrten.
Am Ziel ihrer Fahrt erwartete Mary Ann und Burke allerdings etwas ganz Unglaubliches.
Der Ausflugsort Las Hadas lag in luftiger Höhe über einer azurblauen Bucht und schimmerte wie ein Opiumtraum aus den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Bougainvilleen leuchteten und strahlten vor weiß getünchten Wänden, von Minaretten herab blickten groteske Figuren in sonnenüberflutete Innenhöfe, Vögel sangen, Palmen wiegten sich in der sanften Brise.
Und Mary Anns Herz setzte zu einem Höhenflug an.
»Ach, Burke, sieh dir das bloß an!«
Natürlich meinte sie das gar nicht so. Eigentlich meinte sie: Sieh dir uns bloß an.
Der Strand war ein Halbrund aus silbern glänzendem Sand, und das Wasser war so klar, daß Mary Ann sehen konnte, wie zwischen ihren Beinen winzige Fische hin und her schossen. Burke zog sie mit kindlicher Schadenfreude unter Wasser und hielt sie an der Hüfte umschlungen, wenn sie
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