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Burke.
»Beauchamp. Er war ein grauenhaftes Arschloch.«
Mary Ann schaute verblüfft drein. »Ich dachte, du kennst nur DeDe.«
»Ja. Eigentlich schon. Aber ich hatte ein- oder zweimal mit ihm zu tun.«
Es hatte keinen Zweck, ihnen von seiner kurzen Affäre mit Beauchamp zu erzählen. Er hatte nicht einmal Michael davon erzählt. Auf dieses Zwischenspiel war er nie stolz gewesen.
Als Jon in Michaels Wohnung war, sah er nach, wieviel Platz es im Wandschrank des Schlafzimmers gab. Sobald Monas Sachen nach unten gebracht werden konnten – sie hatte bereits ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, bei Mrs. Madrigal einzuziehen –, würde für seine Kleider und Möbel mehr als genug Platz sein. Michael besaß fast nichts.
Jon blieb einen Augenblick vor Michaels Kommode stehen und sah sich die Sachen an, die den Spiegelrahmen zierten.
Polaroids von Mona am Devil’s Slide, wie sie nackt Grimassen schnitt. Andere von Mary Ann, wie sie sich im Garten geziert in Pose stellte. Ein goldener Anhänger, der die Form von Jockey-Shorts hatte – offensichtlich Michaels Preis vom Tanzwettbewerb im Endup. Ein aus einer Illustrierten ausgerissenes Foto von Jan-Michael Vincent mit nacktem Oberkörper.
Es gab nichts von Jon, nichts von ihnen beiden. Sie waren noch nicht lang genug zusammen. Der einzige Beleg für ihre Beziehung war eine Cocktailserviette aus dem Sans Souci, die keck hinter eine Ecke von Jan-Michael Vincent gesteckt war.
Jon fing plötzlich zu weinen an und ließ sich auf die Kante von Michaels Bett sinken.
Michael hatte wie gewöhnlich recht gehabt. Der Wirbel um die Farbmuster war voreilig gewesen. Es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, daß Michaels Zustand sich besserte. Und diesem flippigen kleinen Romantiker, der sich an der Schwelle zum Tod befand, konnte man schließlich nichts vormachen.
Das Telefon klingelte, als Jon gerade aufgestanden war und sich die Tränen aus den Augen wischte.
»Hallo«, sagte er, als er in der Küche ans Telefon ging.
»Wer spricht da?« Eine Frauenstimme. Blechern.
»Jon Fielding. Ein Freund von Michael.«
»Ist dort nicht die Wohnung von Mona Ramsey?«
»Ach so … Na ja, irgendwie schon. Sie ist …«
»Irgendwie schon?« Eigentlich nicht blechern. Ehern.
Jon gab jedes Bemühen um Freundlichkeit auf. »Sie steckt gerade mitten im Umzug. Aber Sie können sie einen Stock tiefer in der Wohnung ihrer … ihrer Vermieterin erreichen.«
»Diese blöde Kuh«, kam es halblaut vom anderen Ende.
»Soll ich Ihnen die Nummer geben?«
»Ja, bitte.«
Jon gab sie ihr.
Der Anruf kam, als Mrs. Madrigal und Mother Mucca in North Beach beim Einkaufen waren. Mona war allein in der Wohnung.
»Ja?«
»Mona?«
»Hallo, Betty.«
»Ich hab dich schon für tot gehalten.«
»Ach ja? Na dann … Überraschung!«
»So redet man nicht mit seiner Mutter!«
»Ich hab dir aus Nevada eine Postkarte geschickt.«
»Ich war ganz krank vor Sorge. Warum warst du überhaupt in Nevada?«
»Ach … nur so …« Mona hielt es für besser, das Thema zu wechseln. »Wie ist das Wetter in Minneapolis?«
»Der Winter war grauenhaft.«
»Ach, wie schlimm. Ich hoffe, deine Grundstückswerte haben nicht darunter gelitten. Aber … wie bist du eigentlich an diese Nummer gekommen?«
»Ich hab in deiner Wohnung angerufen. Ein junger Mann hat abgenommen, und der hat sie mir gegeben.«
»Das muß Jon gewesen sein.«
»Mona, hör zu … Ich muß mit dir reden.«
»In Ordnung. Fang an.«
»Nein. Persönlich. Du machst einen schweren Fehler, Mona.«
»Womit denn?«
»Ich kann am Telefon nicht darüber sprechen. Ich komm dich besuchen.«
Schweigen.
»Hast du mich verstanden, Mona?«
»Das ist schlecht möglich, Betty. Hier gibt es nicht genug Platz.«
»Ich kann in der Wohnung einer Freundin bleiben. Das … ist bereits geklärt. Zwei Stunden wirst du wohl Zeit für mich haben, Mona. Ich bitte dich nicht … Ich komme einfach. Das bist du mir schuldig.«
»Ja«, sagte Mona resigniert. »Wahrscheinlich.«
Kleinere Wunder
Als Jon ins St. Sebastian’s zurückkam, hatte er Michaels Post dabei: die Ansichtskarte eines Freundes, der auf Maui war; ein Rundschreiben seines Kongreßabgeordneten; und die freudetriefende Benachrichtigung durch die Sweepstakes-Lotterie von Reader’s Digest, daß Michael vielleicht schon zu den Gewinnern gehörte.
Michael schlief, also setzte sich der Doktor still in einen Sessel am Fenster.
Fünf Minuten später kam die Nachtschwester herein.
»Sind Sie gerade
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