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Beauchamp es so gewollt hätte.«
Falls Mary Ann auch nur einen Augenblick überlegen mußte, was sie mit ihrer Freizeit anfangen sollte, so wurde diese Frage bereits während des Frühstücks beantwortet.
»Ich hab letzte Nacht von unserem gemeinsamen Freund geträumt«, sagte Burke.
Mary Ann stellte ihren Orange Cappuccino ab. »Von Michael?«
»Nein. Von dem Mann mit den Implantaten … Den wir auf dem Blumenmarkt gesehen haben.«
»Igitt.«
»Du hast recht. Ich hätte nicht davon anfangen sollen.«
»Nein. Du solltest darüber reden, Burke.«
»Es war bloß ein Traum.«
»Es könnte auch ein Stück Erinnerung gewesen sein. Erzähl mir davon.«
Er sah sie skeptisch an. »Ich möchte nicht dein liebstes … Hobby sein, Mary Ann.«
»Glaubst du denn, daß du das bist?«
Er zögerte. »Nein. Eigentlich nicht.«
»Dann erzähl schon.«
»Na ja, es kam ein Steg darin vor. Genau so einer wie der, von dem ich dir erzählt habe. Er hatte ein Geländer aus Metall, und ich glaube, daß ich auf Beton ging – nur war der Steg hoch über der Erde.«
»Und was war darunter?«
»Keine Ahnung. Leute vielleicht. Aber unten war niemand zu sehen. Ich war mit anderen auf dem Steg. Mit Leuten, die ich kannte.«
»Mit wem?«
»Kann ich nicht sagen. Ich weiß bloß, daß ich sie kannte.«
»Großartig.«
»Dann kam der Mann mit den Implantaten – ich meine, er tauchte neben mir auf –, und auf einmal war diese Rose da, diese schreckliche Rose.«
»Warum war sie so schrecklich?«
»Ich … weiß es nicht.«
»Hat er dir die Rose gegeben? Der Mann mit den Implantaten.«
»Nein, nicht so richtig. Sie war einfach da. Dann hat er sich zu mir herübergebeugt und gesagt: ›Nur zu, Burke, es ist rein organisch.‹ … Und da bin ich losgerannt.«
»Und?«
»Das ist alles. Ich bin aufgewacht.«
Mary Ann trank einen Schluck aus ihrem Becher. »Weißt du, ich glaube, wir sollten den Kerl mit den Implantaten nicht so wichtig nehmen. Ich meine, wir haben beide über ihn gesprochen, und da könnte es sein, daß du ihn in deine tatsächlichen Erinnerungen eingebaut hast.«
»Mmmm. Nur eins spricht dagegen.«
»Was?«
»In meinem Traum hatte er keine Implantate. Sein Kopf war kahl wie ein Ei.«
Der Heiratsantrag
Michaels Nachtschwester stammte ebenfalls aus Florida und hieß Thelma. Manchmal setzte sie sich an sein Bett und unterhielt sich mit ihm, wenn sie ihm um acht seine Fortral-Injektion gegeben hatte.
»Thelma?«
»Was ist, mein Schatz?«
»Bin ich heute den vierten Tag hier?«
»Äh … den fünften, glaube ich.«
»Wenn ich vollkommen gelähmt bin, wie kann es dann sein, daß es weh tut? Ich meine … ich kann spüren, daß es weh tut.«
»Wo?«
»In den Beinen … In den Oberschenkeln … Und ein kleines bißchen in den Armen. Es ist verrückt. Ich kann sehen, daß mein Bein da unten ganz still daliegt, aber ich habe ein Gefühl, als würde es jemand zur Decke hochbiegen. Ich wollte dich schon bitten, es wieder runterzudrücken.«
Sie strich ihm über die Stirn. »Das legt sich wieder, mein Schatz.«
»Gestern nacht bin ich wach geworden, weil ich das Gefühl hatte, daß ich zwischen zwei Bankreihen eingezwängt bin.«
»Wie in einer Kirche?«
»Mhmm. Ich konnte die Kante von diesen … na, du weißt schon … von diesen Brettern spüren … hinten an den Fußgelenken und hinter dem Kopf. Mein Gott, ich konnte die Bretter fast sehen. «
»Ob du es glaubst oder nicht, das ist normal. Dr. Beery sagt, daß es bei Guillain-Barré fast immer sensorische Störungen gibt.«
»Wär’s nicht auch möglich, daß ich plemplem bin? Ich fände es toll, plemplem zu sein.«
»Ach, komm!«
»Nein, wirklich. Nur so ’ne kleine Macke. Eine leichte Schizophrenie vielleicht, mit Anflügen von Melancholie und ab und zu ein bißchen Sabbern.«
Thelma lächelte. »Du bist nicht verrückt, mein Schatz. Mach dir nichts vor. Du bist normal.«
»In Florida wäre ich das nicht.«
Thelma wurde rot. »Dazu kann ich nichts sagen.«
»Weißt du was?« sagte Michael.
»Was, mein Schatz?«
»Du siehst richtig toll aus.«
Mit nervöser Sorgfalt steckte sie sein Bettlaken unter die Matratze. »Ich hab nicht mal toll ausgesehen, als ich noch in Florida war.«
»Das glaub ich dir nicht, Thel. Ich wette, du hast die Jungs dort unten immer scharf gemacht wie ’ne Rasierklinge.«
»Jetzt ist es aber genug!«
»Ich wette, sie haben immer vor eurem Haus gewartet in ihren Chevy-Pickups und den Mond angebellt wie die
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