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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Wounded Knee
    Brians Essen war ein bedingter Erfolg. Mona hob den guten Geschmack seines falschen Hasen hervor, schalt ihn aber wegen seiner Mißachtung vegetarischer Prinzipien.
    »Moment mal«, konterte er. »Wenn du eine so eingefleischte Vegetarierin bist, warum hast du mir das nicht vorher …?«
    »Du hast gesagt, daß er schon fertig war, Brian. Außerdem bin ich mit mir nicht mehr so … strikt, wie ich es mal war.«
    »Verstehe.«
    »Hackfleisch hat was viel Unpersönlicheres als ein kräftiges Steak. Ich meine, der Verstoß gegen die Unantastbarkeit des Tiers kommt einem da viel geringer vor. Man weiß nicht mehr, von welchem Stück der Kuh das Fleisch stammt.« Sie grinste plötzlich, weil ihr klar wurde, daß sie albernes Zeug redete.
    Brian erwiderte ihr Grinsen und legte ihr noch eine Scheibe falschen Hasen auf den Teller. »Das ist keine Kuh, daß du’s nur weißt!«
    »Na, dann eben ein Ochse oder so was.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ein Hund. Ein Cockerspaniel, um genau zu sein. Denkst du, ein Kellner bei Perry’s kann sich Rindfleisch leisten?«
    Nach dem Essen setzten sie sich mit einem Fotoalbum auf die Kante von Brians Bett. Auf dem Umschlag klebte ein Sticker: MAKE LOVE NOT WAR.
    »Weißt du«, sagte Brian etwas verlegen, »wenn dir das ganze zu doof wird …«
    »Es war doch meine Idee, oder?«
    »Okay. Aber …« Er blätterte über die ersten paar Seiten hinweg. »Das ist nur langweiliger Kram.«
    »Nein. Halt. Was ist das?«
    »Die Redaktion der Law Review an der George Washington University.«
    »Welcher bist du?«
    »Der Idiot mit der David-Harris-Brille.«
    »Du trägst eine Brille?«
    »Nicht mehr. Ich hab jetzt Kontaktlinsen.«
    »Grün gefärbte, hm?« Sie lächelte mokant. Er tat leicht beleidigt, aber innerlich freute er sich. Ihr waren seine Augen aufgefallen. Das war schon mal ein Anfang.
    Er deutete auf einen Zeitungsausschnitt. »Das ist sogar über den AP-Ticker gegangen. Das bin ich in Chicago, 1968, dort links.«
    »Woher willst du das wissen? Dein Kopf hängt nach unten.«
    »Ich hab mich wegen der Polizei schlaff gemacht.«
    »Echt? Wo hast du dich denn sonst noch schlaff gemacht?«
    »Ach … in Selma, in Washington … Machst du dich lustig über mich?«
    Sie lächelte. »Ich hab mich in Minneapolis schlaff gemacht.«
    »Kein Scheiß?«
    Sie nickte strahlend.
    »Bei einer Anti-Kriegs-Demo?«
    »Ja. Hast du Jerry Rubin gekannt?«
    »Ich hab ihn mal in Chicago getroffen. Ich schätze, wir haben uns ’ne halbe Stunde unterhalten.«
    »Ich habe gerade sein Buch gelesen. Growing Up at 37. Es hat mich richtig umgehauen.«
    »Ist es so gut, oder was?«
    Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Er schreibt, daß er auf diesen Machttrip gekommen ist – mit der Militanz und so –, weil er völlig verklemmt war wegen der Größe seines Glieds. Ich meine, das ist ja schon ein starkes Stück, wenn einer so was sagt.«
    Brian nickte brav. Sie machte keine Witze.
    »Mein Gott«, fuhr sie ärgerlich fort. »Haben wir alles nur deshalb getan? Ist es in den Sechzigern bloß darum gegangen? Um die Größe von Jerry Rubins bescheuertem Pimmel?«
     
    Es gab einfach keine tiefschürfende Antwort darauf. Brian verlegte sich deshalb aufs Lachen. »Da kann man nur noch abschlaffen«, sagte er.
     
    Später standen sie nebeneinander am Fenster, das auf die Bay hinausging. Brian zündete einen Maui-Zowie-Joint an und hielt ihn Mona hin. Nach einem kurzen Zug gab sie ihn zurück. »Das reicht mir«, sagte sie. »Sonst knall ich am Ende noch durch.«
    »Was ist los?«
    Sie seufzte und schaute zum Leuchtfeuer auf Alcatraz hinüber. »Meine Mutter kommt nach San Francisco«, sagte sie schließlich.
    Es dauerte eine Weile, bis Brian ein Licht aufging. Er pfiff durch die Zähne. »Weiß Mrs. Madrigal davon?«
    Mona schüttelte betrübt den Kopf. »Ich will versuchen, es alleine hinzukriegen. Meine Mutter hat am Telefon eine arg seltsame Bemerkung gemacht. Sie hat gesagt, daß ich einen schrecklichen Fehler mache.«
    »Meinst du, sie weiß über Mrs. Madrigal Bescheid?«
    »Kann ich nicht so recht sagen. Aber wenn sie was weiß, dann muß sie annehmen, daß ich es weiß. Und daß ich auch weiß, daß sie es weiß. Was soll sie mir also schon groß erzählen können? Was soll der Blödsinn mit dem schrecklichen Fehler?«
    Ihre Stimme zitterte. Brian legte ihr den Arm um die Hüfte.
    »Ich kann keine neuen Überraschungen brauchen, Brian. Ich habe Angst.« Sie weinte inzwischen. Sie löste

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