Mehr von deinen Küssen
Seitenblick fuhr er fort: “Mit all den Sicherheitsleuten auf dem Gelände kann ich mir wirklich nicht vorstellen, was dich vom Schlafen abhält.”
“Es liegt wohl eher daran, dass ich immer wieder an Dancers Anfälle denken muss.” Die gelinde Übertreibung war zur Lüge geworden. Fast jedenfalls. Denn woran er immer wieder denken musste, das waren nicht nur Dancers Schreie oder sein kritischer Zustand.
Nein. Was ihn nachts schweißgebadet aufschrecken ließ, waren seine Träume von Haley Garrett. Und auch tagsüber verfolgte ihn die Erinnerung daran, wie diese schöne, zierliche Frau sich an dieses verrückt gewordene Ungetüm von einem Pferd klammerte.
Er glaubte immer noch zu hören, wie ihr Körper gegen die Holzwand geprallt war. Er hatte es immer noch vor Augen, dass Dancer wie von Sinnen auskeilte und seine Hufe der bewusstlosen Haley näher und näher kamen. Und jedes Mal hatte er Mühe, die Tür der Pferdebox zu öffnen, und panische Angst, zu spät zu kommen.
Es war ein Albtraum, der ihn schon so manche Nacht aus dem Bett getrieben hatte. Und dabei musste er auch noch gegen eine andere Erinnerung ankämpfen. Nämlich gegen die, wie er Haley entkleidet hatte.
Selbst jetzt dachte er, als er das weiche Leder seiner Arbeitshandschuhe an den Händen fühlte, augenblicklich an Haleys noch weichere Haut. Er brauchte nur die Augen zu schließen, und schon sah er ihren zart gebräunten Körper vor sich, ihre vollen Brüste mit den rosigen Knospen.
Warum verwirrte es ihn eigentlich, dass er sich so intensiv daran erinnerte? Seit seinem ersten kurzen Blick auf Haley am Tag ihrer Ankunft in Belle Terre, einem Blick, der all seine männlichen Instinkte in Aufruhr versetzt und seine Alarmglocken zum Schrillen gebracht hatte, weil er wusste, dass sie Ärger bedeutete. Großen Ärger. Deshalb hatte er mitten in Lincolns Praxis kehrtgemacht und war bei ihrer ersten Begegnung so schnell verschwunden, dass es einer Flucht gleichkam. Seitdem hielt er sich von Haley fern und lehnte jede Einladung ab, bei der er ihr begegnen könnte. Und das mit einer Entschiedenheit, die schon an Feindseligkeit grenzte.
Mürrisch, rüpelhaft, taktlos, feindselig. Verflixt, wenn er an sein Benehmen im Stall dachte, dann gingen ihm langsam die Begriffe aus.
Und von Anfang an waren seine Bemühungen zum Scheitern verurteilt gewesen. Egal, wie beharrlich er Haley Garrett mied, sie war trotzdem überall präsent. Egal, wohin er ging, irgendwann kam die Rede immer auf Lincolns neue Praxispartnerin. Obwohl er stets versuchte, den Gesprächen nicht zuzuhören, saugte er jedes Wort über sie begierig auf.
Jedes Mal hätte er sich hinterher ohrfeigen können. Jedes Mal stritt er ab, dass er etwas anderes empfand als tiefe Abneigung. Dennoch verhielt er sich beim nächsten Mal genauso.
Haley war nicht dumm. Sie hatte bestimmt längst verstanden, wie wenig er von ihr und ihren Berufskolleginnen hielt. Er ließ keine Chance aus, sie daran zu erinnern. Dabei hatte er sich bisher einer Frau gegenüber nie anders als ein Gentleman verhalten. Ganz so, wie Lady Mary, seine Lehrerin für gutes Benehmen, eine feine ältere Dame, es ihm und seinen Brüdern eingetrichtert hatte.
In all den Jahren hatte er sich immer an deren Anstandsregeln gehalten. Bis Haley aufgetaucht war. Seitdem war er wie verwandelt. Selbst seine Gewissensbisse hatten ihn nicht von seiner unsinnigen Feindseligkeit abgebracht.
Er war unfreundlich und zynisch zu ihr gewesen. Doch als er sie gebraucht hatte, hatte sie nicht gezögert zu kommen. Mehr noch, sie hatte nicht zugelassen, dass er sich praktisch sein Lebenswerk zerstörte, indem er sie erneut abwies. Ohne vor ihm zu Kreuze zu kriechen, hatte sie einen Waffenstillstand herbeigeführt und dann ruhig und besonnen ihre Arbeit getan.
Sie hatte sein Pferd gerettet. Aber vor allen Dingen seinen Traum.
Seine Abneigung gegen Karrierefrauen hatte schon früh begonnen und ging auf eine einzige Frau zurück. Nur ein Narr würde nicht einsehen, dass man nach all den Jahren seine Einstellung überdenken sollte. Das hatte er getan. Und auch wenn er seine Haltung nicht grundlegend änderte, so wollte er Haley jetzt nicht mehr beleidigen. Dennoch würde sie ihn weiterhin verfolgen. Es gab kein Entkommen vor seinen Träumen von der schlanken zierlichen Haley Garrett, die sein Hemd anhatte. Sein Kissen würde für immer nach ihr duften, und im Geist würde er für immer ihre silberblonden Locken darauf ausgebreitet sehen.
Locken, die
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