Mein bestes Stuck
überrascht. Nun sah sie dabei zu, wie sie im Schlund des Durchleuchtungsschachts verschwand. Wie sehr sie diese Tasche doch liebte! Sie stammte aus der allerneuesten Kollektion und war ein limitiertes Luxusexemplar. Typisch Lorenzo, ihr so ein außergewöhnliches Geschenk zu machen. Sie hatte das Gefühl, die glücklichste Frau auf der Welt zu sein. Ihr neues Leben als Taschendesignerin in Paris war meilenweit von ihrem alten Leben entfernt. Und dennoch konnte sie es nicht abwarten, in ihre regnerische Heimat Schottland zurückzukehren, um die wichtigste Entscheidung ihres Lebens zu feiern – ihre Hochzeit mit Lorenzo. Nichts konnte heute ihre gute Laune trüben.
Doch als sie langsam durch die Schranke ging, sank ihre Stimmung gleich wieder. Auf der anderen Seite winkte ihr bereits eine breit gebaute, uniformierte Frau mit einem Handmetalldetektor zu.
»Mademoiselle, s’il vous plaît?«
Onkel Quinn, der die Kontrolle bereits passiert hatte, verdrehte die Augen, als er sah, dass man Julia für eine genauere Inspektion aus der Menge gefischt hatte. »Ich gehe schon mal vor, Schätzchen. Wir treffen uns im Duty-free-Shop, okay? Wenn sie dich überhaupt gehen lassen …«
Er hielt inne und schlug sich in gespieltem Entsetzen die Hand vor den Mund. Das hätte ihrem Onkel ähnlich gesehen, öffentlich darüber zu scherzen, dass sie ihre Hochzeit verpassen würde, weil man sie am Flughafen als Terrorverdächtige festhielt. Während die Sicherheitsbeamtin sie aufforderte, die Arme auszubreiten und die Beine zu spreizen, warf Julia ihm einen warnenden Blick zu. Gott sei Dank
hielt er daraufhin den Mund. Die Aussicht darauf, den Tag, der eigentlich ihr Hochzeitstag hätte sein sollen, in einer Gefängniszelle zu verbringen, erschien ihr alles andere als verlockend. Seufzend sah sie ihrem Onkel nach, wie er im Duty-free-Laden verschwand.
Für einundsechzig sah Onkel Quinn noch ziemlich gut aus, dachte Julia und versuchte krampfhaft, den Metalldetektor zu ignorieren, der an ihren Schenkeln auf- und abfuhr. Onkel Quinn trug sein typisches Reisoutfit – ein leichtes Safarihemd und handgeschneiderte Khakihosen, in der Hand seine schwarze Ledertasche von Prada, seine ständige Begleiterin. Er hatte die Aura eines Mannes, der vollständig mit sich im Reinen war – ein gut aussehender, selbstbewusster schwuler Mann, der Paris zu seiner Wahlheimat gemacht hatte.
»Vielen Dank!« Julia war sich nicht ganz sicher, warum sie der Frau für die ausführliche Sicherheitsinspektion dankte – vielleicht einfach nur, um etwas vorhochzeitliche gute Laune zu verbreiten. Dann drehte sie sich noch einmal um, dankte auch dem Mann an der Gepäckdurchleuchtung, der ihr Parfüm hatte entsorgen wollen, und war schließlich und endlich wieder vereint mit ihrem ganzen Stolz, ihrer Bottega-Veneta-Handtasche. Sie ließ den Riemen ihres Schmuckstücks über ihre Schulter gleiten und strich sanft über das butterweiche Leder. Der zarte, einzigartige Duft dieser feinen Haut war, dessen war sie absolut sicher, großartiger, als irgendetwas, das Chanel jemals in einen Parfümflakon hätte füllen können. Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, wieder ganz bei sich zu sein. Ihre Reise, ihre Hochzeit, ihre Zukunft – alles niet- und nagelfest!
Julia konnte sich in Flugzeugen nie so recht entspannen, bis die Anschnallzeichen erloschen waren. Onkel Quinn seinerseits genoss jede Minute eines Fluges. Seine dunkelblaue Schlafmaske griffbereit auf dem Kopf, das aufblasbare Reisekissen im Nacken und mit einem gewichtigen Ausdruck im Gesicht trommelte er auf die Armlehne ein und hielt Ausschau nach einem Steward, um sich seinen ersten Cognac zu bestellen. Julia sah ihn von der Seite an und lächelte. »Ich bin so froh, dass du mit mir fliegst.«
»Schätzchen, wie könnte ich das verpassen?« Er schenkte ihr ein breites Grinsen. »Wer sonst sollte sich um die ganze Blumendekoration kümmern?« Schelmisch zwinkerte er ihr zu.
»Musst du immer so ein wahnsinniges Klischee abgeben?« Julia lachte. »Mum hat jedes kleinste Detail so haargenau organisiert, dass du vermutlich nicht einmal mehr bei den Blumen fürs Knopfloch ein Mitspracherecht hast.«
»Um genau zu sein«, sagte Quinn und lächelte vielsagend, »hat Frances mich bereits vor Wochen angerufen, um die Frage meiner Ansteckblumen zu klären. Wenn ich mich recht erinnere, so wird das kleine Bouquet um exakt Viertel vor sieben am Morgen deiner Vermählung geliefert werden und anschließend dem
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