Mein Bild sagt mehr als deine Worte
drauf, voller Energie, hüpfte um mich herum und rief dauernd, wie glücklich sie sei. Es war ein gutes Gefühl, verstehst du? Derjenige zu sein, der sie glücklich machte. Wir waren zusammen im Kino und danach hat sie mich noch nach Hause begleitet. Als wir dann bei mir waren, fand sie es schade, dass der Abend schon vorbei sein sollte, und hat mich gefragt, ob denn bei mir in der Nähe nicht noch irgendwo was los sei, und als ich ihr sagte, da gäbe es nur den Friedhof, meinte sie, das wäre perfekt. Wir sind nachts dann noch hierhergekommen – einfach über die Mauer gesprungen, die ist ja nicht sehr hoch –, und sie ist dann rumgerannt und hat mir lauter Inschriften vorgelesen. In Liebe und Dankbarkeit , Meiner geliebten Ehefrau , solche Sachen. Ich hab versucht, mitzuhalten, aber wenn sie in einer von diesen Stimmungen war, konnte man unmöglich mit ihr mithalten. Stimmt doch, Ev? Ab und zu hab ich was beigesteuert, aber es war ihre Show. Dann sind wir zu diesem Grabstein gekommen und auf einmal war sie still.«
Wir standen jetzt vor dem Grabstein, der auf dem Foto zu sehen war. Ich versuchte, die Inschrift zu lesen, aber es gelang mir nicht. Die Zeit hatte alle Buchstaben und Ziffern ausgelöscht. Stattdessen wuchsen auf dem Stein grüne Flechten.
»Man kann nichts mehr erkennen«, sagte ich. »Das hat sie traurig gemacht.«
Jack nickte. »Sie murmelte in einem fort ›Wozu das Ganze, das alles hier? Wozu?‹. Und ich weiß nicht – in dem Augenblick wollte ich sie nur noch küssen. Ich wollte es so sehr und sie brauchte es so sehr. Deshalb hab ich sie umarmt und geküsst, und dann haben wir mitten auf dem Friedhof angefangen, rumzuknutschen.«
»Wie romantisch«, sagte ich.
»Was weißt du denn von der Liebe, Ev?«, erwiderte er. »Also ich meine wirklich.«
Seine Wut traf mich völlig unvorbereitet. Ich hatte nicht geahnt, dass ich ihm wichtig genug war, um auf mich so richtig wütend sein zu können.
Er zog eine Zigarette heraus, bat stumm um Erlaubnis, zündete sie an.
»Sportler wie du sollten sich nicht an Lungenkrebs versuchen«, sagte ich, auf der Welle weiterschwimmend.
»Du klingst wie sie«, sagte er und ließ den Satz dann zwischen uns in der Luft hängen, genauso wie den Rauch.
Ich suchte rings um den Grabstein nach einem weiteren Umschlag, fand aber nichts.
»Beobachtest du uns?«, rief ich laut. »Ist da jemand?«
»Um diese Zeit«, sagte Jack zwischen zwei Zügen, »bräuchtest du einen Blitz, um ein Foto zu machen.«
» Er bräuchte einen Blitz«, sagte ich. »Oder sie .«
»Wer ist es, Evan? Wenn es weder du bist noch ich?«
»Glaubst du, da hat es noch jemand gegeben? Glaubst du, dass sie dich betrogen hat? «
»Nein. Aber vielleicht hatte sie noch andere Freunde, die sie nie erwähnt hat? Glaubst du, dass sie dich betrogen hat? «
Wir beide miteinander, wir kannten dich doch. Wir beide miteinander, wir wussten doch alles über dich.
»Du musst mir helfen«, sagte ich zu ihm. »Wir müssen ihr gemeinsam helfen.«
»Später haben wir darüber gelacht«, fuhr er fort. »Unser erster Kuss, wie abgefahren. Mein Plan war, herauszufinden, wessen Grab es war. Und wenn ich es dann wusste, wollte ich den Namen zu unserem Jahrestag auf den Grabstein schreiben. Ich dachte, das würde ihr gefallen.«
Ich starrte auf den anonymen Grabstein. Jack in diesem Moment in die Augen zu sehen schaffte ich nicht.
»Sie brauchte Hilfe«, sagte ich.
»Verdammt, warum konnten wir es nicht?«
Ich hob den Kopf, um ihn über den Grabstein hinweg anzuschauen.
»Glaubst du wirklich, wir hätten ihr allein helfen können?«, fragte ich.
»An manchen Tagen denke ich ja, an anderen nein.«
»Ich habe gespürt, wie sie kaputtging«, sagte ich. »Wir mussten Hilfe holen.«
»Aber vielleicht haben wir sie erst richtig kaputtgemacht«, antwortete er.
»Man kann jemanden nicht dadurch kaputtmachen, dass man sich um ihn kümmert.«
»Bist du dir da so sicher?«
»Ich brauche eure Hilfe nicht!«, hast du geschrien.
»Doch«, sagte Jack. »Evan und ich sind uns da einig.«
»Ihr seid gegen mich! Ihr alle beide – ihr seid gegen mich.«
»Das ist nicht wahr«, rief ich. »Das ist nicht wahr.« Aber ich weiß nicht, ob du mich überhaupt hören konntest, so laut, wie du geschrien hast.
»Sie werden bald da sein«, sagte Jack. »Dann wird alles gut.«
Ich war froh, dass er so zuversichtlich klang. Weil an mir bereits Zweifel nagten, ob wir wirklich das Richtige getan hatten.
»Ich bring mich um«,
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