Mein bis in den Tod
Vollkommenheit. Sie denken: Guck dir die Frau von diesem Kerl an – der muss ja brillant auf seinem Gebiet sein!«
»Du betrachtest mich als deine Arbeitsprobe? Mehr bedeute ich dir nicht? Bin ich so etwas wie ein
Muster?
«
Jetzt wirkte er noch verletzter. »Liebling, du hast mir immer gesagt, du wärst nicht glücklich mit deinem Gesicht. Dein Kinn würde dir nicht gefallen, du wünschtest, du hättest ausgeprägtere Wangenknochen. Mehr habe ich nicht operiert. Und hinterher sahst du umwerfend aus, und das weißt du. Du hast es mir selbst gesagt.«
»Und meine Brüste?«
»Ich habe von deinen Brüsten nichts abgeschnitten, sondern ihnen etwas hinzugefügt.«
»Weil sie dir nicht groß genug waren.«
Er rückte näher heran, hob die Stimme: »Vergiss nie, dass du nichts warst, nur ein unscheinbares junges Ding, als wir uns kennen lernten. Ich habe dein Potenzial entdeckt und dich zu der schönen Frau gemacht, die du heute bist. Du und ich – wir haben uns gegenseitig zum Erfolg verholfen. Ich helfe dir auf operativem Wege, du hilfst mir bei meiner Karriere mit deinem Aussehen, deiner Persönlichkeit, deiner –«
»Warum hast du mich nicht so gelassen, wie ich bin, wenn du es nicht erträgst, dass andere Männer mich ansehen. Wieso hast du mich nicht ein hässliches Entlein sein lassen?«
Er blickte ihr fest in die Augen, er bebte, und obwohl er sie noch nie geschlagen hatte, hatte sie das Gefühl, dass er es jetzt am liebsten getan hätte.
»Du hast den Mann bei dem Dinner nicht nur angeschaut. Er hat dich mit Blicken gevögelt.«
Sie wandte sich ab. »Das ist lächerlich. Ich gehe ins Bett.«
Er packte sie so heftig bei den Schultern, dass sie vor Schmerzen aufschrie. Ihre Handtasche landete auf dem Boden, Lippenstift und Puderdose fielen heraus. »Ich rede mit dir.«
Sie kniete sich hin und sammelte ihre Sachen ein. »Ja, aber ich rede nicht mehr mit dir heute Abend. Ich fühle mich krank und leg mich jetzt schlafen.«
Als sie oben an der Treppe stand, rief er: »Faith, ich bin –«
Aber sie hörte ihn kaum, denn wieder überkam sie diese Übelkeit. Sie versuchte, sich am Treppengeländer festzuhalten, doch ihre Hand rutschte ab, und sie stolperte nach vorn.
Ross fing sie auf. Sie stützte sich ab, aber jetzt war sein Griff sanft, und seine Stimme klang zärtlich. »Verzeih mir, ich wollte dich nicht anschreien. Du weißt einfach nicht, wie viel du mir bedeutest. Du und Alec. Bevor ich dich kennen lernte, hatte ich kein Leben, jedenfalls kein richtiges. Bevor ich dir begegnete, wusste ich nicht, was Liebe, Wärme ist. Sicher, ich bin manchmal schwierig, aber das liegt nur daran, dass du mir so viel bedeutest. Verstehst du das denn nicht?«
Sie sah ihn müde an. Sie hatte das schon so oft gehört, und ja, sicher, er meinte es wirklich so. Aber es bedeutete ihr schon lange nichts mehr.
»Du weißt, wie sehr es mich ängstigt, wenn es dir nicht gut geht. Bitte such morgen einen Arzt auf, geh zu Jules. Ich sage Lucinda gleich morgen früh, dass sie ihn anrufen soll.«
Lucinda war Ross’ Sekretärin. Jules Ritterman war der Hausarzt, den Ross kannte, seit er während des Medizinstudiums Vorlesungen bei ihm gehört hatte. Faith mochte ihn nicht besonders, aber sie fühlte sich zu geschwächt, um mit Ross zu streiten. Sie wollte sich einfach nur hinlegen und schlafen.
Ihr war schwindlig.
»Es wird schon wieder.«
»Ich möchte dich bitten, Jules aufzusuchen.«
Etwas in seinem Tonfall fiel ihr auf. Die Beharrlichkeit.
»Das wird schon wieder. Wahrscheinlich liegt’s nur am Jetlag nach dem Rückflug aus Thailand.«
»Dir ist schon seit einer Woche übel. Vielleicht hast du dir in Thailand einen Bazillus eingefangen, und wenn ja, muss man ihm eins auf den Deckel geben.
Capisce?
«
Sie ging ins Schlafzimmer, setzte sich aufs Bett, nahm die Kontaktlinsen heraus, legte sie in das Behältnis und lehnte sich dankbar zurück. Ross stand über ihr, und sie war auf der Hut, aufmerksam, aber nun war er wieder der sanfte, fürsorgliche Ehemann.
»Capisce?«
Sie versuchte alles zu durchdenken. Es bedeutete, dass sie morgen nach London fahren musste. Allerdings hatte Ross in ein paar Wochen Geburtstag, und sie könnte ein Geschenk für ihn einkaufen.
»Ja«, sagte sie widerstrebend.
»Außerdem«, sagte er und nahm sie fest in den Arm, »müssen wir dich doch wieder hinbekommen, bevor du die Operation machen lässt.«
[home]
8
6 .05 Uhr morgens, 3. Mai. Nur noch fünf Wochen bis zum längsten
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