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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Tag des Jahres. Dennoch war es so kalt, dass man meinen konnte, es sei Februar. Die Fernsehnachrichten hatten die Meldung gebracht, dass es in einigen nördlichen Landesteilen schneite.
    Oliver Cabot, in Jogginganzug, Handschuhen und Turnschuhen, entfernte das Sicherheitsschloss von seinem schwarz-grünen Trekkingrad, öffnete die Haustür und schob das Fahrrad aus dem Gemeinschaftsflur des Mietshauses, in dem er wohnte; er fröstelte. In London herrschte eine Feuchtigkeit, die ihm die Kälte bis in die Knochen trieb und jegliche Wärme, die er in sich hatte, zerfraß. Es war ein Schock gewesen nach dem Leben im sonnigen Südkalifornien, er hatte sich noch immer nicht an das Londoner Wetter gewöhnt und bezweifelte, dass er es je würde.
    Er setzte den Sturzhelm auf, stieg aufs Rad, stellte den Kilometerzähler auf null und radelte los. Auf der Portobello Road, die an Wochentagen ruhig und leer war, beschleunigte er das Tempo und bog am Ende links in die Ladbroke Grove.
    Die Luft fühlte sich eisig im Gesicht an. Er trat heftig in die Pedale, um etwas ins Schwitzen zu kommen. Trotz der Kälte gefiel ihm London immer zu dieser Uhrzeit. Es hatte etwas Besonderes, vor allen anderen auf den Straßen zu sein. Er beobachtete gern die Straßenkehrer, die Zeitungsausträger, die Milchmänner oder gelegentlich auch eine Frau, die mit trüben Augen und zerzausten Haaren und immer noch in Abendkleidung aus einem Taxi stieg.
    Heute waren die Straßen noch leerer als sonst. Ein paar Autos fuhren an ihm vorbei, dann ein Taxi, der Fahrgast eine anonyme Silhouette im Rückfenster. Eine Zeile aus einem Gedicht über London fiel ihm ein, und er versuchte sich an den Namen des Dichters zu erinnern. Thomas Gunn?
    Gleichgültig gegenüber der Gleichgültigkeit, die dich gebar …
    Er hielt sein hohes Tempo aufrecht. Das anonyme London verhielt sich ihm gegenüber genauso gleichgültig wie jeden Morgen. Doch heute hatte sich etwas in ihm verändert. Die Erinnerung an die Frau bei dem Dinner gestern Abend. Faith Ransome. Die Blicke, die sie ihm durch den von Menschen erfüllten Raum zugeworfen hatte. Sie waren nicht gleichgültig gewesen, sondern –
    Die Frau ist verheiratet, Oliver Cabot. Schlag sie dir aus dem Kopf, Mann
.
    Durch hübsche, von Häuserreihen gesäumte Seitenstraßen radelte er zur Bayswater Road hinauf, durch den Hyde Park und in Richtung Serpentine. Er fuhr um den kleinen See herum und sah den Enten und Spiegelbildern zu.
    In jenen Tagen, Wochen, Monaten nach Jakes Tod hatte er frühmorgens an den Kanälen in Venice, Kalifornien, am Strand gejoggt, ehe die Sonne herauskam. Die Laufstrecke hatte er nach den Rettungsschwimmertürmen berechnet, die im Dunkel so unheimlich vor ihm aufragten wie die Wachtürme eines Straflagers.
    So hatte er sich auch gefühlt: wie ein Gefangener im eigenen Leben. Ein Gefangener der eigenen Gedanken. Jeden Morgen, nachdem er sich in die Welt des Schlafes und der Träume geflüchtet hatte, wachte er in einer düsteren Wirklichkeit auf, einer Welt, in der Jake aus seinem Leben gerissen worden war. Aus
ihrem
Leben.
    Seither waren acht Jahre vergangen, und der lähmende Schmerz der Trauer war verschwunden. Doch das Gefühl dumpfer Hilflosigkeit war geblieben. Und wohin er auch blickte, überall fanden sich Erinnerungen an Jake. Auch deshalb mochte er diese Stunden am frühen Morgen: In jenen Wochen unmittelbar nach Jakes Tod hatte er begonnen, früh aus dem Haus zu gehen, damit er keine anderen Kinder sah.
    Er radelte an einer Gruppe von Arbeitern vorbei, die von einem Lastwagen Straßenbaugeräte abluden. Die Luft kam ihm nicht mehr kalt vor.
Faith Ransome
. Mir gefällt dein Name.
Faith
. Etwas sagt mir, dass du nicht glücklich bist. Du hast gestern Abend mit mir geflirtet. In deinem Gesicht lag Verzweiflung. So hübsch und doch so
verzweifelt
.
    Er stieg ab, stellte das Rad an einen Baum und ging die wenigen Schritte zu seinem Lieblingsplatz neben einem großen Lorbeerstrauch, während das Spiegelbild der Bäume am gegenüberliegenden Ufer wie ein Schatten aus dem flachen Gewässer vor ihm aufstieg.
    Wie ein stummes Mantra gingen ihm immer wieder drei Wörter durch den Kopf.
Mensch
.
Erde
.
Himmel
. Ruhig und stumm wie ein Baum stand er da, ließ das Chi, die universelle Lebensenergie, durch sich hindurchströmen. Und während er in den Zustand der Meditation geriet, dachte er ausschließlich an eine Person.
    Warum bist du verzweifelt, Faith?
    Werde ich dich jemals

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