Mein Boss, die Memme
unerschütterlichen amerikanischen Lockerheit, umstandslos auf andere Menschen zuzugehen.
Als der amerikanische Präsident John F. Kennedy einmal die Raumfahrtzentrale Cape Canaveral besuchte, soll er dort auf eine Reinigungskraft getroffen sein, die einen Hangar kehrte. Auf die Frage des Präsidenten, was genau seine Aufgabe sei, sagte der Mann mit dem Besen in der Hand entspannt: »Iâm sending a man to the moon, Sir.«
Wo es keine Berührungsängste gibt, springt der Funke der Begeisterung leichÂter auf jeden Menschen über.
Das Beziehungsende
Ob aus einem Arbeitsverhältnis über die Zeit hinweg eine belastbare, aufrichtige Beziehung geworden ist, zeigt sich spätestens an dessen Ende. Wenn es darum geht, einen Mitarbeiter zu entlassen.
Die Sozialallergiker retten sich auch da wieder ins Formelhafte, als wäre die Trennung von einem Mitarbeiter dasselbe wie die Ablehnung eines Urlaubsantrags. Sich jetzt nur keine BlöÃe geben, keine Diskussionen aufkommen lassen, kurz fassen. Die eigene Unsicherheit verbergen, die Augen auf den Unterlagen behalten, sich nicht durch unbedachte ÃuÃerungen anfechtbar machen. Sich nicht von den Gefühlen des anderen berühren lassen. Die Kontrolle behalten. Die Feigheit, die Unsicherheit des Memmen-Chefs tritt in dieser Situation so deutlich zu Tage wie bei kaum einer anderen Gelegenheit. Hier ist die Beziehungsebene eines Arbeitsverhältnisses unausweichlich, die emotionale Reaktion des Mitarbeiters zum Greifen nahe. Wer selbst eine simple DienstanÂweisung nicht persönlich kommunizieren kann, für den ist ein Kündigungsgespräch ein Martyrium. So rational die Kün digungsgründe auch sein mögen: Für den Geschassten ist der Rauswurf immer etwas Persönliches. Sogar die SozialallerÂgiker-Memme weià das. Und deshalb ist die Stimmung im Raum beiderseitig angstgeschwängert. Abfedern lässt sich das nur durch einfühlende Kommunikation.
Genau deshalb traut mancher Sozialallergiker sich das nicht zu â und überlässt es lieber gleich der Personalabteilung. Für den geschassten Mitarbeiter der finale Akt der Entfremdung, die Entsorgung auf dem Dienstweg. Ein Vorgang, so unpersönlich und vorhersehbar wie das Heraustragen des Büromülls. Nur gut, wenn man nicht selbst dieser Müll ist. Ich weiÃ, wie sich das anfühlt:
Mein erster Rauswurf
Meine Zeit bei der neuen Internetfirma der Landesbank endete, nachdem ich mich mit den groÃen Chefs angelegt hatte, unrühmlich.
Mittwochmorgen. Acht Uhr. Ich holte mir wie immer einen schwarzen Kaffee aus der Küche und schaute, was der Terminkalender für mich bereithielt. Den Leiter der Personalabteilung, der sich scheinbar geübt angeschlichen hatte, hörte ich erst, als er mein Büro betrat. Ich drehte mich um und spürte sofort: Irgendetwas war anders.
»Patrick, Du bist drauÃen.«
Was er meinte, wusste ich sofort. Verstehen konnte ich es allerdings ganz und gar nicht. Gekündigt? Was? Warum? Ich konnte es nicht glauben.
Es war, als krachte eine Faust mit maximaler Geschwindigkeit auf meine Brust. Ich wollte etwas sagen. Aber der leitende Personaler und ein vor der Bürotür wartender Mann vom Sicherheitsdienst signalisierten mir mit ihrer Haltung, dass es keinen Gesprächsbedarf gab. Sie warteten schweigend vor meinem Schreibtisch. Mein Gehirn fühlte sich taub an. Wo war der, der mir das erklären würde? Warum war hier keiner, der diese Entscheidung verantwortete?
Wie in Trance begann ich meine wenigen persönlichen Habseligkeiten in einen Karton zu packen. Fünf Minuten später ging ich das letzte Mal durch meine Bürotür, den Karton in beiden Armen, durch die Gänge vorbei an meinen Mitarbeitern, die mich fragend bis fassungslos anstarrten. Ich blieb nicht stehen, konnte nicht stehen bleiben. Meine beiden Begleiter blieben konsequent hinter mir. Als die Eingangstür hinter uns zuklappte, übergab ich wortlos meine Schlüssel. Das warâs.
Eine extreme Situation. Aber, wie stelle ich mir die ideale Entlassung vor, auch wenn es die eigentlich nie geben kann?
Das Ende einer Beziehung sagt viel darüber aus, wie Chef und Mitarbeiter bisher miteinander ausgekommen sind. Je intensiver zuvor die Bindung war, umso schmerzhafter für beide Seiten, aber auch aufrichtiger und fairer kann das Ende sein. Dafür muss ich als Chef meinem Mitarbeiter gegenüber so
Weitere Kostenlose Bücher