Mein Boss, die Memme
stehe ich in diesen Plänen? Habe ich einen Platz in dieser Geschichte, oder wohne ich ihr bei wie einer Fabel mit ungewissem Ausgang?
Als wir nach einem Jahr die erste gemeinsame Weihnachtsfeier hatten, war er noch immer so wie am ersten Tag: steif, reserviert, ohne ein persönliches Wort. Der Herrscher zeigte sich schlieÃlich seinen Untergebenen, doch seine Miene blieb ausdruckslos, seine Motive undurchsichtig. Was meinen Kollegen und mir fehlte, war eine Vorstellung von seiner Persönlichkeit, ein Anknüpfungspunkt für den Umgang mit der Majestät, die unser Vertrauen in seine Herrschaft gerechtfertigt hätte. Und eine Vorstellung davon, was seine geheimnisvolle Mission in unserem Reich wohl sein mochte.
Das einzige Plus, dass er in unseren Augen besaÃ: seine fachliche Kompetenz, die uns in den wenigen, aber durchaus konstruktiven Gesprächen überzeugte. Davor hatten wir Respekt.
Und dieser Respekt wuchs. Denn im zweiten Jahr trugen die Veränderungen Früchte. Für uns, die Mitarbeiter, war es, als würden wir endlich seinen groÃen Herrschaftsplan, den er uns nie erklärt hatte und dem wir artig folgen mussten, durchschauen.
Im selben MaÃe, wie sich unser Geschäft positiv entwickelte, veränderte sich fast unmerklich auch die Beziehung zu unserem Chef. Wenn meine Kollegen in der Pause über ihn sprachen, gab es immer häufiger anerkennende Worte. Es fiel uns auf, dass das wenige, was er uns als persönliches Feedback gab, immer Hand und Fuà hatte. Er war zwar zurückhaltend, hörte aber genau zu, war ehrlich und direkt. Und am Ende eines Gesprächs hatte man das Gefühl, selbst auf die Idee gekommen zu sein. Der Herrscher war ganz offensichtlich kein Menschenfeind. Er war nur unsicher im Umgang mit dem Volk.
Doch auch das wandelte sich nach und nach. Nun, als er das Reich nach seinen Vorstellungen gestaltet hatte, taute er langsam auf. Sein Bürotempel war nicht mehr von einem metaphysischen Zaun umgeben. Er wurde zugänglicher in dem MaÃe, wie er spürte, dass wir begannen, auf ihn zuzugehen, weil wir ihm endlich vertrauten und den Menschen hinter der herrschaftlichen Chef-Maske sahen. Und den fanden wir immer sympathischer.
Als er nach drei Jahren zur nächsten Stelle im GroÃreich des Unternehmens wechseln sollte, war jeder im Team traurig. Zum Abschied umarmten wir ihn und er uns. Zu Beginn seiner Ãgide hätte sich das keiner vorstellen können. Er war einer der besten Chefs, die wir je hatten. Der Herrscher war zum Mann des Volkes geworden. «
Dieter F., Personalmanagement
Ein Happy End wie in diesem wahren Märchen einer wundersamen Chef-Wandlung könnte viele Teams und Abteilungen in deutschen Unternehmen von Grund auf verändern. Die entscheidende Botschaft für uns Mitarbeiter ist: Selbst Sozialallergiker sind nicht aus Stein. Die meisten von ihnen reagieren durchaus auf Mitarbeiter, die offen auf sie zugehen und ihnen dabei helfen, ihre Angst vor einem persönlicheren Umgang zu überwinden.
Mitarbeiter wollen nicht alle persönlichen Details über ihren Boss wissen. Aber sie brauchen und verdienen eine ausreichende Vorstellung davon, mit wem sie es zu tun haben. Ein gewisses Maà an Offenheit und Authentizität sind für eine Führungskraft unerlässlich. Sozialallergikern bleibt letztlich nichts anderes übrig, als die Hemmschwelle zu überwinden und sie für andere so niedrig wie möglich zu halten. Wir Mitarbeiter werden es ihnen danken â mit offener Kommunikation und steigender Motivation.
Halten wir fest: Die Memme vom Typ Sozialallergiker kann sich und ihren Mitarbeitern das Leben gehörig schwer machen. Ein solcher Boss scheint unfähig zu dem, was die Arbeitsbeziehung zwischen Chef und Mitarbeiter prägt: Kommunikation, offener Austausch, Empathie. Um seine Angst vor dem persönlichen Umgang mit seinen Mitarbeitern zu vertuschen, versteckt er sich vor ihnen. Bei den Mitarbeitern kommt das oft als Arroganz an: Der Sozialallergiker kapselt sich ab und führt aus dem Verborgenen. Seinen Untergebenen ist es deshalb unmöglich, seine Motive einzuschätzen.
Genau da jedoch sind wir als Mitarbeiter gefragt: Nicht jeder Sozialallergiker plant Böses. Manchen von ihnen fehlt einfach nur die Fähigkeit, ihre Entscheidungen zu kommunizieren, um die Zuneigung ihrer Mitarbeiter zu erreichen. Daran sollte, daran darf ein Team nicht scheitern. Der einzige
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