Mein Boss, die Memme
Weg ist die gegenseitige Annäherung: Nirgendwo steht geschrieben, dass die nicht von den Mitarbeitern ausgehen darf. Vom Sozialallergiker selbst kommt sie in den seltensten Fällen. Also ist es an uns, das Eis zu brechen!
Aber was, wenn ein Chef genau ins andere Extrem geht? Was, wenn mein Boss um alles in der Welt meine Nähe will und braucht?
2. Bitte loslassen: die Kuschel-Junkies
Ich möchte Sie vorwarnen: Die folgende Chef-Geschichte ist eine Fiktion, eine famose Ãbertreibung. Aber wie das so ist mit erfundenen Geschichten, der Wahrheit kommen sie manchmal doch sehr nahe.
Stellen Sie sich also eine kleine Firma vor, genauer gesagt ein IT-Startup mit etwa zwanzig Mitarbeitern. Der Boss sieht nicht nur aus wie ein wahrer Kuschelbär, er verhält sich auch so â ein gutmütiger, durch und durch liebenswerter Typ, der für seine Mitarbeiter nur eines sein will: ein lieber Freund.
Ab und an verkündet dieser Kuschel-Chef schweren Herzens aber auch Unangenehmes. Ein neuer PC wird nicht bewilligt, eine Gehaltserhöhung verweigert, ein Projekt entzogen. Niemand nimmt ihm das übel. SchlieÃlich weià jeder im Team: Er ist nur das Sprachrohr für den groÃen Ober-Boss im fernen Amerika, mit dem, auÃer dem Kuschel-Chef selbst, kein Mitarbeiter je gesprochen hat.
Was jedoch keiner der Mitarbeiter weiÃ: Dieser Ober-Boss existiert überhaupt nicht. Er ist eine Erfindung des Kuschel-Chefs, der in Wahrheit der Inhaber der Firma ist und Angst davor hat, seine Mitarbeitern könnten ihm die eine oder andere Entscheidung krumm nehmen.
Wie es weitergeht? Das sei an dieser Stelle nicht verraten.
Die schräge Geschichte trägt den Titel »The Boss of It All« und ist eine bissige Filmkomödie. Der Regisseur Lars von Trier schieÃt damit gegen das vermeintliche HarmonieÂbedürfnis seiner dänischen Landsleute. Auch wenn die Geschichte nur erfunden ist: Ihre Kernhandlung â ein liebesÂbedürftiger Chef und seine Sehnsucht nach absoluter Harmonie â wird in deutschen Unternehmen jeden Tag aufs Neue aufgeführt.
Friede, Freude â Pustekuchen
Es ist ja nichts Verwerfliches: Wer als Chef mit unterschiedlichen Menschen und Erwartungen konfrontiert wird, sehnt sich nach einem stressfreien Miteinander. Danach, von seinen Mitarbeiter gemocht zu werden. Ein Traum, der für alle Beteiligten zum Alptraum werden kann, wenn die FührungsÂkraft über das Ziel hinausschieÃt. So geschehen in folgen dem Tatsachenbericht von einer Vertriebsassistentin, die mir die Nackenhaare senkrecht stehen lieÃ:
Vom Paradies ins Chaos
»Den neuen Teamleiter mochte das ganze Team. Nach dem Choleriker, den wir davor ertragen mussten, war der Neue eine echte Wohltat. Fast jeden Tag trafen wir uns mit ihm vor der Arbeit zum Frühstück. Was im Team sofort auffiel: Der neue Boss vergaà keinen Geburtstag, und auch nicht das passende Geschenk. Die Atmosphäre verbesserte sich ungemein. Richtig familiär hier, meinte einer. Unser Arbeitsplatz wurde zu einer Kommune der bezahlten Glückseligkeit: Und das war ganz klar ein Verdienst des neuen Chefs.
Arbeitsgespräche mit diesem Vorgesetzten waren äuÃerst angenehm: Er befahl nicht, sondern bat, wenn er etwas von uns wollte. Es kam fast das Gefühl auf, dass alles, was man tat, eine freiwillige Gefälligkeit sei: Walldorf-Schule mit Arbeitsunterbrechungen.
Das sahen wohl einige so. Irgendwann blieben die ersten den wöchentlichen Teammeetings fern. Unser Chef lächelte darÂüber hinweg, als sei nichts passiert. Aber es blieb nicht bei EinzelÂfällen, sondern wurde zur Gewohnheit. Die gefühlte FreiwilÂligkeit wurde zum Selbstläufer. Und selbst in einer Kommune bricht irgendwann das Chaos aus, wenn die Arbeitsteilung nicht mehr funktioniert.
Genau so kam es: Die Leute kamen und gingen, wann sie wollten. Die Zahl der Krankmeldungen nahm auffällig zu. Die Disziplin ging komplett den Bach runter. Und damit bei eiÂnigen auch die Leistung. Es gab ja keine Konsequenzen für schlechte Performance, so wie es in der Walldorf-Schule keine Noten gibt. Das war nicht gut für unsere nette kleine Familie. Das Team begann sich zu spalten, als ein Teil von uns wieder Zug reinbringen wollte. Die Grüppchenbildung verselbstständigte sich, und die Parteien begannen sich gegenseitig zu mobben. Und der Chef? Der tat, als wäre nichts. Bloà keinen
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