mein buch vom leben und sterben (German Edition)
und dachte: »okay, dann können die blinden kinder aber auch tanzen.« – und erkannte, dass meine vorstellung einer trauerfeier nicht wirklich der meiner mutter und ihres lebensgefährten
entsprach. so überließ ich die meisten zu treffenden entscheidungen ganz einfach den drei anderen jungs.
ich hasse hellgrüne schleifen und trauerreden, die zu jedem toten lebewesen passen würden, selbst zu ’nem elefanten: »er hat vielen menschen freude geschenkt, und wir werden ihn in guter erinnerung behalten, er war immer fröhlich und hatte für jeden ein offenes ohr. wir werden dich vermissen, dumbo«.
wenigstens konnte ich das orgelspiel abwenden und war für die musikauswahl zuständig.
meine eigene beerdigung habe ich im übrigen kurz darauf selbst geplant, und es war ein sehr schöner abend. meine urkölsche vermieterin und freundin sagte vor kurzem bei einem ihrer besuche: »liebschen, ich hab n neues lied, das ihr bei meiner beerdigung spielen müsst! ave maria op kölsch, härrlisch, kannst du mir das schon mal im internet bestellen?« ich finde so etwas herzerfrischend!
ja, meine mutter hat auch kurz mit mir über ihre beerdigung gesprochen. wir saßen gemeinsam in der küche, sie war gerade aus einer spezial-klinik in karlsruhe nach hause
zurückgekommen. diese therapie dort war so ziemlich unsere letzte hoffnung. und obwohl sich ihr gesundheitszustand weiterhin verschlechtert hatte, redeten wir immer noch hypothetisch über eine »eventuelle« beerdigung. »ich möchte mit dir über meine beerdigung sprechen, sollte ich es doch nicht schaffen.« ich holte tief luft und sagte: »okay. können wir machen.« nun erwartete ich eine auswahl an blumen, musik, farben, irgendwie so etwas in der art. doch sie schaute mich verhältnismäßig gefasst an und sagte: »also! die brigitte, die petra, wilfried und anne, gitte jensen – aber das würde sie sich eh nicht trauen – die ganzen leute vom fußball und ursula peters, also die brauchen gar nicht erst zu kommen. wenn die kommen, drehe ich mich im grab um.«
ich nickte nur: »okay. sonst noch was?« sie überlegte kurz und fuhr dann fort: »und beim kaffeetrinken hinterher, da reicht es, wenn die den kuchen halbieren. den isst sonst eh keiner!« ich wiederholte mein »okay« und wartete, ob noch was kommen würde, aber sie sagte dann nur noch: »gut, dann haben wir das geklärt. ich bin froh, dass wir darüber reden konnten.«
meine mutter ging wieder ins wohnzimmer, und ich blieb etwas erschlagen zurück. ich dachte nur: »das wird die erste beerdigung mit security, oder vielleicht machen wir was mit stempeln.« nach dem motto: »nee brigitte, ich müsste schon den stempel sehen, sonst kann ich dich leider nicht reinlassen, sorry!«
nun ja. zumindest war es eine klare ansage meiner mutter, und ich kann heute nur dazu sagen: leider geil!
als die formalitäten im beerdigungsinstitut geklärt waren, wurden wir gefragt, ob wir den leichnam meiner mutter noch einmal sehen wollten. alle waren sich einig, dass wir das auf keinen fall tun würden. kurz bevor wir dann gingen, entschied ich mich jedoch anders und äußerte den wunsch, sie ein letztes mal anzuschauen. »tu das nicht, behalte sie so in erinnerung, wie sie war, tu dir das nicht an!« war das einstimmige feedback, das ich von meiner familie bekam. in dem moment war ich einfach zu müde für argumente, schwieg und fuhr, ohne meine mutter noch mal zu sehen, mit den anderen nach hause.
kurze zeit später musste ich dann allerdings noch kleidungsstücke meiner mutter ins beerdigungsinstitut bringen, da ihr wunsch, sie in ihrem ungetragenen hochzeitskleid zu bestatten, doch wieder verworfen wurde. polyester ist halt nicht so optimal, wenn man verbrannt wird.
das, was jetzt folgt, war ein besonders wichtiger und eigentlich der schönste moment, den ich mit meiner mutter je erlebt habe: ich hatte für sie eine jeans und ein weißes hemd herausgesucht, etwas, das sie auch sonst getragen hatte, kleidung eben, in der ich sie kannte.
als ich die sachen nun beim beerdigungsunternehmen abgab, fragte mich die bestatterin ein zweites mal: »möchten sie ihre mutter wirklich nicht nochmal sehen?« und meine antwort kam sehr spontan »doch, das würde ich sehr gerne!« ich bin froh, dass ich damals nicht wusste, was das gekostet hat. sonst hätte ich es sicherlich nicht getan. an dieser stelle möchte ich sagen: die bestattungskosten in deutschland sind dermaßen
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